Hedwig nahm ihre Hände von der Tastatur und legte sie in den Schoß. Sie betrachtete das Geschriebene am Bildschirm.
Und plötzlich sah sie wirklich die Augen ihrer Großmutter auf sich gerichtet, es waren graue Augen mit grünlichen Einsprengseln, ähnlich ihren eigenen. Aber die milde Skepsis in ihnen habe ich damals nicht verstanden, dachte Hedwig. Ich war von dem, was Václav Havel an seine Frau Olga geschrieben hatte, unvorbereitet und bis tief in meine Seele ergriffen worden. Ich fühlte mich wie eine bislang dürre Wiese, die, nachdem ein Frühlingsregen sie tränkte, plötzlich zu blühen beginnt. Sogar dieses Gefühl so kitschig zu beschreiben scheute ich nicht, denn es war mir danach. Das ist es, dachte ich an diesem Abend, in dieser Nacht, das ist mein Weg. Mit einer ebenso aufrechten Haltung wie dieser Mann, unkorrumpierbar und furchtlos, werde ich ihn gehen. Gegen Ungerechtigkeit, gegen Niedertracht, gegen jede Form der Fälschung von Menschenwürde werde ich anschreiben und antreten, und ohne Rücksicht auf Verluste. Das wird mein Beruf sein. Meine Berufung.
Ja, das dachte ich.
Hedwig hob ihre Hände wieder, speicherte, was sie zuletzt geschrieben hatte, und einem plötzlichen Impuls folgend, begann sie alles Bisherige auszudrucken. Es funktionierte. Es wurde ein nicht unbeträchtlich hoher Stapel bedruckter Seiten. Alles für dich, Oma, dachte sie. Für heute.
Als Hedwig sich erhob und in die Küche ging, musste sie am Weg dorthin schon Licht machen, Abenddämmerung erfüllte die Wohnung. Ja, dachte sie müde, in jugendlicher Begeisterung meinte ich mit Leichtigkeit mehr als nur diese Vorzugsschülerin zu werden, der Großmutters Stolz galt. Das Institut für Publizistik hier in Wien betrat ich jedenfalls noch so, erfüllt von hehrem Anspruch und hoher Anforderung.
Am Küchentisch belegte Hedwig ein paar Brotschnitten mit Schinken und Käse. Beim Rotwein dachte sie vorerst nur an ein volles Glas, e