II
Der lange Saal auf der Rückseite des Hauses der Thatchams, in dem die Familie für gewöhnlich saß, war um zwölf Uhr in strahlendes Sonnenlicht getaucht. Gleichzeitig war ein heulender Sturm aufgezogen, wie üblich, denn das Haus stand oben auf den Klippen. Die Hochzeit sollte um zwei Uhr stattfinden (die Kirche befand sich gleich hinter der Gartenmauer, was praktisch war).
Sonnenlicht fiel in blendenden Rechtecken durch die Fenster auf die verblichenen Glyzinien der Cretonne-Sofas und -Sessel und ließ das auf Böcken stehende indische Messingtablett aufleuchten, auf dem sich Zeitschriften und Bibliotheksbücher stapelten. Den gelben Glanz reflektierten silberne Fotorahmen und maurische Brieföffner und die neben dem Klavier hängende weiß-braune serbische Stickerei. Das Licht des Kaminfeuers verblasste dagegen – die Flammen waren in all diesem Glanz kaum zu sehen.
Mrs Thatcham hatte in diesem Raum immer eine große Zahl Topfpflanzen stehen, Narzissen, Fuchsien, Hortensien, Alpenveilchen. Heute stand auf einem Tisch in der Nähe des Feuers zusätzlich ein geballtes Gebirge aus Hyazinthen aller Art in Rosa, Rot und einem verwaschenen Mauve; durch das Fenster fiel stahlblaues Frühlingslicht, das jedes der schmalen wächsernen Blütenblätter schillern ließ.
Auf dem Sofa lag der Länge nach ausgestreckt ein dreizehnjähriger Cousin der Braut – der schwarzhaarige Robert – und las in der ZeitschriftThe Captain. Robert hatte Augen, die glänzten wie zwei ölig schwarze Backpflaumen, und die Gesichtsfarbe eines dunkelroten Pfirsichs.
Vor der Treppe ging Tom, sein älterer Bruder, auf und ab, sein Schritt hatte etwas Wichtigtuerisches und irgendwie Unheimliches an sich.
Tom war blond und hübsch anzusehen, aber nun quollen seine kobaltblauen Augen aus seinem Kopf wie die eines Ochsenfroschs.
Beiden Jungen waren die Haare so glatt wie Satin gebürstet worden, und beide hatten sich umgezogen und trugen für die Hochzeit makellose schwarze Jacketts.
»Robert.«
Es war, als wäre plötzlich eine große Blase vom Boden eines dunklen Wasserbehälters emporgestiegen und an der Oberfläche dumpf und hohl zerplatzt – nichts an Toms schleichender Gestalt wies darauf hin, dass er es war, der gesprochen hatte.
»Robert.« (Eine weitere Blase platzte dumpf und hohl.)
»Robert. Robert.« Die ganze Zeit schlich Tom weiter hin und her.
»Robert.« Jetzt kam das Wort leise von hinter der Sofalehne, wohin Tom, von seinem jüngeren Bruder unbemerkt, geschlichen war.
»Robert«, wiederholte Tom. »Robert. Ich sage, Robert. Robert. Robert.«
Tom beugte sich über die Sofalehne und sang leise, jedes Wort einzeln betonend, wie es Hypnotiseure tun:
»DEINE MUTTER WÜRDE ZWEIFELLOS WOLLEN, DASS DU DICH NACH OBEN BEGIBST, ROBERT, ZUM ZWECKE, DIESE UNMÖGLICHEN SOCKEN ZU WECHSELN.«
Der Patient zeigte kein Lebenszeichen.
»WECH