: Ronja Ebeling
: Jung, besorgt, abhängig Eine Generation in der Krise
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959103459
: 1
: CHF 11.20
:
: Gesellschaft
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Ihr seid jung, euch gehört die Welt« - ein Satz, den die 24-jährige Ronja Ebeling schon oft gehört hat. Der Traumjob in den Zwanzigern, Eigenheim und Familie mit dreißig, dazwischen jede Menge Strandurlaube und Chancen zur persönlichen Entfaltung, und dann, im Alter, irgendwo im Grünen entspannt den Lebensabend verbringen. Doch die Realität? Die sieht leider anders aus. Anstatt sich auf unbefristeten Jobverträgen auszuruhen, pendelt die junge Generation von Praktikum zu Praktikum, statt Urlaub gibt es Burn-out, statt einer satten Rente den Ausblick auf Altersarmut. Und Kinder? Die kann sich heute doch eh keiner mehr leisten! Vom Konsumzwang über Geschlechterstereotype bis hin zur Klimaverantwortung: In ihrem Buch spricht Ronja Ebeling schonungslos all die Fragen an, die ihre Generation beschäftigen und liefert eine längst überfällige Analyse unserer Gesellschaft in der Krise.

Ronja Ebeling ist 1996 geboren und gelernte Redakteurin. Ihre journalistische Ausbildung absolvierte sie beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr, in diesem Rahmen besuchte sie auch die Henri-Nannen-Schule. In ihrem Podcast »Hungry Minds - Eine Generation, die fordert« beleuchtet sie gesellschaftliche Probleme aus der jungen Perspektive. Seit ihrem ersten Buch »Jung, besorgt, abhängig - Eine Generation in der Krise« berät sie Unternehmen zu Themen der jungen Generation, unterstützt in Recruiting-Prozessen und begeistert als mitreißende Keynote-Speakerin.

Vorwort: »Hepp!«


Kreismeisterschaften in der Leichtathletik, 2007: »Alle Staffelläuferinnen der U12 in Position!«, dröhnte es durch die Lautsprecher im Stadion. Die heiße Sommersonne knallte auf die Tartanbahn. Ich war in zweiter Position in dieser Staffel und strich noch mal über meine Startnummer, die an den Ecken mit vier Sicherheitsnadeln an meinem Vereinsshirt befestigt war. »Ihr schafft das, gebt Gas!«, riefen Zuschauer*innen uns vom Rand aus zu. Ich versuchte, nicht hinzugucken. Vorsichtig setzte ich meinen linken Fuß ein paar Zentimeter hinter der weißen Startlinie auf die Bahn, beugte die Knie, winkelte den rechten Arm nah an meinem Körper an und streckte den linken mit geöffneter Handfläche nach hinten aus. Blick nach vorn, bereit für die Übergabe. Im Kopf ging ich noch mal durch, was gleich passieren würde: Sobald der Startschuss ertönte, würde eine andere Läuferin mit dem Stab losrennen, um ihn mir nach fünfzig Metern in die Hand zu drücken. Ich würde sie bei dieser Übergabe nicht angucken, sondern nur auf ihr Signal warten. »Hepp!« – und ich wüsste, dass ich zupacken und losrennen müsste. Damit die Übergabe funktionierte, mussten wir beide konzentriert sein und einander vertrauen.

Warum ich das erzähle? Ich glaube, wir sind als Gesellschaft genau jetzt an diesem Punkt angekommen. Die jüngere Generation wartet darauf, dass die ältere »Hepp!« sagt und uns den Staffelstab übergibt. Ich bin jetzt 25 Jahre alt. Und genauso wie damals bei den Leichtathletik-Meisterschaften mache ich mir auch heute Sorgen, dass ich den Stab nicht richtig zu greifen bekomme, dass er mir aus der Hand fällt und ich die verlorene Zeit nicht mehr aufholen kann. Außerdem habe ich das dumpfe Gefühl, dass die Person, die mir den Stab übergeben soll, sich schwer damit tut, ihn loszulassen. Manchmal glaube ich, sie würde am liebsten allein die vier mal fünfzig Meter über die Stadionbahn sprinten, im Adrenalinrausch und unter den Blicken der jubelnden Zuschauer*innen.

Dieses Buch beschreibt den Moment, in dem die Person, die den Stab übergeben soll, nicht »Hepp!« sagt. Stattdessen haut sie mir ihre spitzen Spikes in die Hacken, schubst mich weg und jagt an mir vorbei. Sie ruft noch so was wie: »Beim nächsten Mal! Ich zieh das jetzt erst mal allein durch!«, und ich liege da auf der heißen Tartanbahn, mit blutenden Hacken, und suche nach den richtigen Worten, die ich in dieser Situation hinterherrufen kann. »Ähm, das war so aber nicht ausgemacht … Scheißegoist, das ist echt … ’ne miese Aktion …«, liegt es mir auf der Zunge, aber so richtig schlagkräftig fühlt sich das in dem Moment nicht an. Deshalb sage ich einfach gar nichts. Ich sitze nur da, völlig perplex, und schaue der immer noch sprintenden Person nach, während sich in mir langsam Wut und Angst breitmachen. Wut, weil diese Person mich ignoriert, weggeschubst und aus dem Teamsport einen Einzelwettkampf gemacht hat. Angst, weil ich von dieser Person abhängig bin und nicht weiß, ob sie es allein überhaupt bis zur Ziellinie schaffen wird. Tut sie das nicht, ist auch mein Lauf vorbei.

Weil ich das nicht möchte, habe ich dieses Buch geschrieben. Es soll bei der Staffelstabübergabe helfen und der älteren Generation zeigen, was uns Nachfolgenden auf der Tartanbahn durch den Kopf geht, während wir auf den Staffelstab warten. Warum es uns so wichtig ist, selbst zu laufen und nicht zurückzubleiben. Jungen Menschen soll dieses Buch demonstrieren, dass sie mit ihren Ängsten und Zweifeln, ob sie diesen Stab überhaupt tragen können, nicht allein sind. Ich schreibe auf den folgenden Seiten nicht nur über meine persönlichen Gefühle, sondern über die einer ganzen Generation. Zudem gibt es sicherlich genügend Menschen, die zwar schon äl