: Giacomo Casanova
: Memoiren: Geschichte meines Lebens. Band 2
: apebook Verlag
: 9783961304059
: 1
: CHF 2.70
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: Romanhafte Biographien
: German
Die 'Memoiren' erzählen die Geschichte des Giacomo Casanova, von ihm selbst verfasst. Wer in diesem autobiografischen Roman eine Menge wolllüstiger Begebenheiten erwartet, wird nicht enttäuscht. Das Buch erzählt unverblümt von den erotischen Eroberungen des kompromisslosen Hedonisten. Nicht umsonst gilt Casanova als größter Verführer aller Zeiten. Sein Ruf eilte ihm voraus und öffnete ihm die Türen und Schöße sämtlicher Damen der feinen Gesellschaft. Selbst Katharina die Große soll seinem Charme erlegen sein. Aber die Geschichte von Casanovas Leben ist noch viel mehr als das. Er war nicht nur angeblicher Liebhaber der russischen Zarin und unzähliger anderer. Er besuchte alle wichtigen europäischen Höfe und Metropolen und begegnete vielen bedeutenden Menschen seiner Zeit. Casanova lernte Päpste kennen, sprach mit Friedrich II. in Sanssouci, traf auf Rousseau und lieferte sich Wortgefechte mit Voltaire. Er verkehrte mit Da Ponte, Crébillon, von Haller, Winckelmann und Mengs. Und selbst mit Mozart soll er Kontakt gehabt haben, als dieser an seinem 'Don Giovanni' arbeitete. In Polen duellierte er sich mit einem Adligen in Konkurrenz um eine Dame. Er war Flüchtling der Bleikammern Venedigs und Geheimagent der Inquisition. Giacomo Casanova war eine sprichwörtliche Legende. Seine unzähligen Abenteuergeschichten nehmen uns mit auf eine unvergleichliche Reise in die Zeit. Die Memoiren Casanovas zählen zur Weltliteratur und wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Das insgesamt etwa 5000 Seiten starke Werk ist trotz seines gewaltigen Umfangs kurzweilig und unterhaltsam, aber vor allem auch kulturhistorisch interessant: Landschaften, Städte und Personen des gesamteuropäischen 18. Jahrhunderts breiten sich vor unseren Augen aus. Und natürlich immer wieder: die Schenkel der Frauen, zwischen denen Casanova Glück und Erfüllung sucht. Begleiten wir den großen Abenteurer und Verführer auf seinen Reisen, und werfen wir einen Blick durch die Schlüssellöcher in die Salons und Boudoirs der feinen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Nirgends sonst finden sich Spannung, Frivolität, Sinnlichkeit und philosophische Überlegungen in solch verdichteter Lebensbeschreibung. 'Das ganze 18. Jahrhundert tummelt sich in seinen Memoiren und lacht, und räsoniert, und hurt, in keinem anderen Buch ist es so lebendig, so deutlich, so zum Riechen, Fühlen, Schmecken nah.' (Hermann Kesten) Dieses ist der zweite Band von insgesamt sechs Bänden. Sein Umfang beträgt ca. 880 Druckseiten.

Erstes Kapitel


Ich finde Giulietta wieder und bei ihr den angeblichen Grafen Celi, der inzwischen Graf Alfani geworden ist. – Ich beschließe nach Neapel zu reisen. – Ein Erlebnis, das mich auf einen anderen Weg bringt.

Als ich nach einem kurzen Spaziergang in meinen Gasthof in Cesena zurückkam, gab der Wirt mir den Theaterzettel, worauf vier Vorstellungen der Metastasioschen Dido im Spadatheater angekündigt wurden. Da ich sah, daß weder unter den Künstlern noch unter den Künstlerinnen Bekannte von mir waren, entschloß ich mich, mir die Abendvorstellung anzusehen und erst am anderen Morgen mit der Post abzureisen. Mich stachelte immer noch ein kleines bißchen Furcht vor der Inquisition, und es war mir, wie wenn sie mir schon dicht auf den Hacken säße.

Bevor ich den Zuschauerraum betrat, ging ich in das Ankleidezimmer der Schauspielerinnen, und die erste kam mir recht appetitlich vor. Sie war Bologneserin und hieß Narici. Ich begrüßte sie und fragte sie nach einigen Komplimenten, ob sie frei sei.

»Ich bin«, antwortete sie, »nur der Direktion gegenüber verpflichtet.«

»Haben Sie einen Liebhaber?«

»Nein.«

»Ich erbiete mich als solchen, wenn Sie Lust haben.«

Sie lächelte spöttisch und sagte: »Ach, nehmen Sie mir doch vier Karten zu den vier Vorstellungen ab.«

Ich zog zwei Zechinen aus meiner Börse, die ich absichtlich so hielt, daß sie sehen mußte, wie gut sie gespickt war; dann nahm ich die vier Karten, gab sie ihrer Zofe, die hübscher war als sie, und ging ohne weiter ein Wort zu sagen. Sie rief mich zurück; ich tat aber, als hörte ich sie nicht, und nahm mir einen Parkettplatz. Da ich alles höchst mittelmäßig fand, stand ich nach dem ersten Ballet auf, um fortzugehen. Als ich dabei zufällig einen Blick auf die große Loge warf, sah ich zu meinem großen Erstaunen den Venetianer Manzoni mit der berühmten Giulietta, deren famosen Ball mit der Ohrfeige der Leser wohl noch in Erinnerung haben wird.

Da ich sah, daß man mich nicht bemerkte, fragte ich meinen Nachbar, wer wohl die schöne Dame mit den vielen Diamanten sei. Er antwortete mir: »Das ist Signora Querini aus Venedig; der Eigentümer des Theaters, General Graf Spada, den Sie an ihrer Seite sehen, hat sie aus seiner Heimat Faenza hierher gebracht.«

Es freute mich sehr, daß Herr Querini sie endlich geheiratet hatte, aber ich dachte nicht daran, mich ihr zu nähern – aus Gründen, die der Leser ebenso wenig vergessen haben wird wie die Vorfälle, als ich sie auf ihr Verlangen als Abbaten verkleiden mußte. Ich wollte also gehen; aber im selben Augenblick gewahrte sie mich und winkte mich heran. Ich kam; da ich aber nicht bekannt sein wollte, sagte ich ihr leise, ich nenne mich Farussi. Manzoni sagte mir, ich spräche mit Ihrer Excellenz Signora Querini. »Ich weiß es«, sagte ich zu ihm, »aus einem Brief, den ich aus Venedig erhielt, und ich wünsche der gnädigen Frau von Herzen Glück dazu.«

Giulietta verstand mich, machte mich auf der Stelle zum Baron und stellte mich dem Grafen Spada vor. Sofort lud der Herr mich sehr liebenswürdig ein, in seine Loge zu kommen. Nachdem er mich gefragt hatte, wober ich käme, wohin ich ginge und so weiter, bat er mich, ihm die Ehre zu erweisen und bei ihm zu Nacht zu speisen.

Vor zehn Jahren war er Giuliettas Freund in Wien gewesen, als Maria Theresia in Anbetracht des bösen Einflusses ihrer Reize sie ausweisen zu müssen glaubte. Sie hatte in Venedig die Bekanntschaft mit ihm erneuert und hatte ihn veranlaßt, sie zu einer Vergnügungspartie mit sich nach Bologna mitzunehmen; und ihr alter Anbeter, Herr Manzoni, der mir dies alles erzählte, begleitete sie, um Herrn Querini über ihre gute Aufführung berichten zu können. Er war allerdings kein sehr gut gewählter Tugendwächter. In Venedig wollte sie überall die Meinung verbreiten, daß Herr Querini sie im Geheimen geheiratet habe; aber in einer Entfernung von fünfzig Meilen hielt sie diese Formalität nicht für angebracht, und der General hatte sie bereits dem ganzen Adel von Cesena als Signora Querini Papozze vorgestellt. Ubrigens hätte Herr Querini unrecht gehabt, wenn er auf den General eifersüchtig gewesen wäre, denn dieser war ein so alter Bekannter, daß es nicht darauf ankommen konnte, wenn er der Schönen den Hof machte. Übrigens gilt es bei gewissen Frauen als ausgemacht, daß ein Mann, der als neuester Liebhaber sich auf einen alten Bekannten eifersüchtig zeigt, nur ein Dummkopf sein kann und als solcher zu behandeln ist. Giulietta hatte mich schnell gerufen, weil sie ohne Zweifel meine Indiskretion fürchtete; als sie aber sah, daß ich ebenfalls die ihrige zu fürchten hatte, da beruhigte sie sich; ich war so vernünftig, sie von Anfang an mit allen ihrem Stande schuldigen Rücksich