Ein Quietschen reißt mich aus meiner Starre. Seit geraumer Zeit blicke ich wie gebannt auf die mit langen Plastikstreifen verdeckte Öffnung des Sperrgepäckschalters. Heimlich ist mir etwas mulmig zumute bei dem Gedanken daran, was die nächsten Wochen auf uns zukommt. Aber das würde ich nie zugeben.
Das Quietschen wird von einem Rucken und Schleifen verstärkt, und endlich setzt sich das Sperrgepäckband in Bewegung. Jetzt geht es also los. Als die erste Fahrradtasche durch die Öffnung in der Wand kommt und über ein schwarzes zerschlissenes Band auf uns zugleitet, springt eine Frau mit kurz geschorenen braunen Haaren neben mir auf und pflückt das große Paket behände vom Band. Entweder das Fahrrad in der Tasche ist ultraleicht oder diese Frau ultrastark. Ich vermute Letzteres. Sie ist eine Ironlady. Zumindest habe ich über dem Atlantik, irgendwo zwischen ungesalzenem Tomatensaft und lauwarmem Kaffee aus Plastikbechern, entschieden, sie so zu nennen. Dort oben in luftigen Höhen waren wir ins Gespräch gekommen, nachdem ich einen Fahrradhelm unter ihrem Sitz entdeckt hatte. Sie und die Gruppe drahtiger Männer, die nun ebenfalls am Gepäckband steht, werden nächste Woche beim Ironman hier in Mexiko teilnehmen. Ich weiß nicht viel darüber. Nur dass es ganz schön hart wird. Und heiß. Und schwül. Und natürlich klingt es ziemlich gut. Ironman. Auch für Ladys. Zehn weitere Fahrräder in sauberen Taschen kommen zum Vorschein, und der Clan aus Hochleistungssportlern um die Ironlady in spe verabschiedet sich nach und nach lächelnd von Patrick und mir, jeder ein in einer schicken Fahrradtasche verpacktes Rennrad unter dem Arm.
»Viel Erfolg!«, rufe ich der Frau hinterher.
»Passt bloß auf euch auf!«, erwidert sie und zwinkert mir zum Abschied zu. Wie das wohl sein muss, den eigenen Körper in der Hitze Südmexikos zu Höchstleistungen zu treiben, wo man jahrelang im kühlen, trockenen Deutschland trainiert hat? Andererseits: Patricks und meine Aussichten sind auch nicht gerade rosiger. Einen ganzen Monat mit Zelt und Hobo-Kocher durch die Wildnis Zentralamerikas radeln. Sieben Länder. Über zweitausend Kilometer. Hier in Cancún soll unsere Tour noch heute Abend beginnen. Und in einem guten Monat möchten wir in Jacó, Costa Rica, bei meiner Schwester angekommen sein. Sie lebt dort seit einigen Jahren und führt ein Bikini-Modelabel mit Laden direkt am Strand. Für uns bedeutet diese Reise nicht nur körperliche Anstrengung, sondern auch mentale Stärke, denn Zentralamerika ist nicht gerade ein Ponyhof für Fahrradreisende. Wir haben lange überlegt. Viel gezweifelt. Vor zwei Tagen noch saßen wir mit unseren Freunden um ein Lagerfeuer vor unserem Zirkuswagen und haben Abschied gefeiert. Jetzt sind wir hier. Und diese Reise beginnt.
Das ruckelnde Quietschen des Förderbandes reißt mich erneut aus meinen Gedanken.
»Na endlich!«, ruft Patrick und geht auf die beiden ausgebeulten und mit Paketband verschnürten riesigen Kartons zu, in denen die Einzelteile unserer Fahrräder den Flug hoffentlich gut überstanden haben. Die Packtaschen, die wir gleich an den fertig zusammengebauten Rädern anbringen wollen, haben wir bereits am Gepäckband eingesammelt. Zwei riesige blaue Plastiktüten mit der Aufschrift »IKEA«, in die wir zu Hause je drei fertig gepackte Fahrradtaschen gestopft haben. Ja. Zu Hause. Das ist momentan dieser schöne Zirkuswagen, mit dessen Ausbau Patrick und ich endlich fast fertig sind. Fast fertig, weil ich glaube, dass kein Zuhause dieser Welt je wirklich fertig ist, solang die Bewohnerinnen einigermaßen fantasievolle Wesen sind. Fast fertig, und trotzdem zieht es uns ger