1. KAPITEL
Amanda Altman ist wieder da.
Die ganze Stadt sprach über nichts anderes, und Sheriff Nathan Battle war schrecklich genervt. Nichts hasste er mehr, als Gegenstand von Klatsch und Tratsch zu sein. Das hatte er bereits einige Jahre zuvor durchgemacht. Dadurch, dass er nach Houston gegangen war, hatte er das Schlimmste vermieden. Dort hatte er die Polizeiakademie besucht und ein paar Jahre gearbeitet.
Aber dann war er wieder in seine Heimatstadt Royal zurückgekehrt, hatte sich ein Heim eingerichtet und war fest entschlossen zu bleiben. Schließlich gehörte er nicht zu den Leuten, die Problemen aus dem Weg gingen. Irgendwann würden die Bewohner von Royal sich schon wieder beruhigen und ein anderes Opfer finden.
So war das in der kleinen texanischen Stadt nun einmal. Es passierte einfach zu wenig, und deshalb wärmte man gern die alten Klatschgeschichten wieder auf.
Selbst hier, in den heiligen Hallen desTexas Cattleman’s Club, konnte Nathan dem Gerede nicht entkommen – oder den genüsslichen Spekulationen. Leider hatte sein bester Freund besonders viel Vergnügen daran.
„Na, Nathan“, fing Chance grinsend an, „hast du Amanda eigentlich schon gesehen?“
Nathan blickte den Mann, der ihm gegenübersaß, düster an. Chance McDaniel hatte den ererbten Besitz zu einer Ferienranch mit Hotel ausgebaut, und Nathan musste zugeben, dass ihm mitMcDaniel’s Acres etwas ganz Besonderes gelungen war. „Nein“, stieß er grimmig hervor.
„Du kannst ihr nicht ewig aus dem Weg gehen“, sagte Chance fröhlich und trank einen Schluck von seinem Scotch. Seine grünen Augen funkelten vergnügt. Offenbar machte es ihm großen Spaß, den Freund aufzuziehen.
„Warum nicht? Hat doch bisher ganz gut geklappt.“ Auch Nathan nahm einen Schluck.
„Aber sicher!“ Chance war kurz davor, laut loszuprusten. „In den letzten Wochen warst du deshalb ja auch die Ruhe selbst!“
„Sehr witzig!“
„Allerdings.“ Jetzt konnte Chance sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Als er sich wieder beruhigt hatte, fragte er: „Wo holst du dir eigentlich jetzt deinen Kaffee? Ich meine, wo du denRoyal Diner nicht mehr betreten kannst?“
„Bei der Tankstelle.“
„Was? Dir muss es ja wirklich dreckig gehen, wenn du Charlies Brühe trinkst. Vielleicht ist es an der Zeit, dass du lernst, dir selbst Kaffee zu kochen.“
„Und vielleicht ist es an der Zeit, dass du endlich die Klappe hältst!“, fuhr Nathan den Freund gereizt an. Warum war Amanda auch nach Royal zurückgekommen? Sie hatte sein ganzes Leben durcheinandergebracht. Normalerweise begann er den Tag mit einem guten Frühstück imRoyal Diner, wobei Amandas Schwester Pam immer schon den frisch gebrühten Kaffee für ihn bereithielt. Aber seit Amanda wieder zurück war, musste er sich mit Charlies schlechtem Kaffee und irgendwelchen abgepackten süßen Teilchen zufriedengeben.
„Nun sei doch mal ehrlich, Nate“, fuhr Chance ruhig fort. „Auf die Dauer kannst du Amanda nicht aus dem Weg gehen. Sie soll entschlossen sein hierzubleiben. Margie Santos hat gesagt, dass sie sich sogar nach einem eigenen Haus umsieht.“
Das war auch Nathan schon zu Ohren gekommen. Wie auch nicht, wenn jeder im Umkreis von zehn Meilen scharf darauf war, ihn auf Amanda Altman anzusprechen. Margie war nicht nur die schlimmste Klatschtante, sondern auch die erfolgreichste Maklerin der Stadt. Also stimmte wohl, was Chance sagte. Amanda hatte die Absicht, in Royal zu bleiben.
Und das bedeutete, dass er sich damit abfinden musste und sie nicht länger ignorieren konnte. Zu ärgerlich, wo er doch gerade über sie hinweggekommen war, es zumindest geschafft hatte, nur noch selten an sie zu denken. Vor Jahren war das noch ganz anders gewesen. Während ihrer leidenschaftlichen Affäre war sie ihm Tag und Nacht im Kopf herumgegangen. Verständlich, wenn man bedachte, dass sie damals sogar verlobt gewesen waren.
Die Zeiten ändern sich eben. Er starrte in sein Glas. „Lass uns über was anderes sprechen.“
„Okay.“ Während Chance ihm erzählte, was in der letzten Zeit auf der Ranch passiert war, ließ Nathan den Blick durch den großen Raum wandern. Immer wenn er hier imTexas Cattleman’s Club war, dem TCC, wie der Club allgemein genannt wurde, hatte er den Eindruck, die