: Josef H. Reichholf
: Die Bereinigung der Natur
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783957576576
: 1
: CHF 7.10
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: Naturwissenschaft
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nach der Freigabe Ende 2017 verschärfte sich der Streit um das Vertilgungsmittel Glyphosat. Während der Einsatz der Wunderwaffe gegen Unkräuter boomt, kommen der Politik mittlerweile doch Zweifel, ein Verbot wird in Aussicht gestellt. Grundlage sowohl der Zulassung als auch des angekündigten Verbots ist jedoch eine beschränkte Sicht auf die Wirkung des Herbizids, die dazu führt, dass die eigentlichen zerstörerischen Effekte in ihrer ganzen Breite außen vor bleiben. Der Biologe Josef H. Reichholf und der Chemiker Hermann Petersen erklären kundig und anschaulich, dass Glyphosat für sich nicht allein das Problem ist, sondern das landwirtschaftliche Umfeld, in dem es eingesetzt wird. Die Fokussierung auf die vermeintliche Giftigkeit des Mittels für den Menschen missachtet nicht nur, dass die Totalherbizide die Lebensbasis einer Vielzahl von Tieren zerstören und ein massives Insektensterben, also auch das Bienensterben mit verursachen; die Verkennung der tieferen Zusammenhänge macht auch den Weg frei, dass bald ein neues, vielleicht noch schädlicheres Mittel seinen Platz einnehmen wird. Die Angst der Verbraucher wird kurzzeitig genommen, das Desaster der bereinigten Natur bleibt.

Josef H. Reichholf, 1945 in Aigen am Inn geboren, ist einer der bekanntesten Biologen im deutschsprachigen Raum. Er lehrte über viele Jahre an beiden Münchner Universitäten und war Abteilungsleiter an der Zoologischen Staatssammlung in München. Der Bestsellerautor wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa.

Glyphosat: Teufelszeug oder nur zu viel des Guten?


Seit einem Vierteljahrhundert steht Glyphosat im Brennpunkt der Diskussion um Nutzen und Folgen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Es ist die Kurzform der chemischen Bezeichnung für N-Phosphonomethylglycin. Dieses setzt sich zusammen aus der Aminosäure Glycin und dem phosphorsäurehaltigen Phosphonomethyl. Der Stoff ist löslich in Wasser (12 Gramm in einem Liter bei 25 Grad Celsius) und als Feststoff beständig (Schmelzpunkt bei rund 200 Grad Celsius). Als Herbizid-Wirkstoff entdeckt wurde es von einem Mitarbeiter der damals noch amerikanischen Firma Monsanto. 1974 wurde für Glyphosat ein US-Patent erteilt, im Juni 1975 erhielt es in Deutschland die Zulassung. Nach Ablauf des Patentschutzes im Jahre 2000 übernahmen andere Firmen, vor allem in China, die Herstellung des insbesondere als »Roundup« international bekannt gewordenen Herbizids. Seine große Zeit brach an, als gentechnisch veränderte Sorten von Mais, Soja, Raps und Baumwolle auf den globalen Markt kamen, die gegen Glyphosat resistent gemacht sind. Ihre Hauptanbaugebiete liegen in Nord- und Südamerika sowie in Indien. Glyphosatbeständige Sorten wachsen gegenwärtig auf rund 80 Prozent der Weltanbaufläche für Soja.

Anfänglich wusste man nicht, warum dieser Stoff ein so starkes Herbizid ist. Inzwischen ist bekannt, dass Glyphosat wirkt, wenn es in die Pflanze eindringt. In dieser blockiert es ein für das Wachstum wichtiges Enzym. Das Enzymsystem, in das dieses eingebunden ist, kommt nur in Pflanzen vor und bei einigen Bakterien, nicht aber in Tieren. Für sie ist Glyphosat daher unwirksam. Aus der Hemmung des pflanzlichen Enzymsystems ergibt sich die enorme Breitenwirkung dieses Herbizids. Am besten wirkt Glyphosat, wenn es über die Blätter in die zu treffenden Pflanzen gelangt. Damit dies geschieht, werden Stoffe beigemengt, die die Aufnahme verstärken, Adjuvantien genannt. Deren unterschiedliche Zusammensetzung führt dazu, dass es verschiedene »Formulierungen« von Pflanzenschutzmitteln mit Glyphosat gibt.

Haupthersteller sind neben Monsanto chinesische Chemiefirmen. Durch Überkapazitäten nach Ablauf des Patentschutzes kam ein Preisverfall zustande, der das Mittel außerordentlich billig machte.