: Francis Kirps
: Eber im Nebel Von Tieren und anderen Verwandten
: Satyr Verlag
: 9783947106714
: 1
: CHF 11.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eber im Nebel vereint dreizehn Erzählungen, in denen Tiere die Protagonist*innen bilden und unerwartete und komische Perspektiven auf die der Menschheit eröffnen. Mut zum literarischen Experiment und humorvoll-satirisches Erzählen kommen zusammen und so gehen Erkenntnis und Erheiterung Hand in Hand. Lissa möchte keine Schnee-Eule zum Geburts­tag, alles nur keine Schnee-Eule! Karl ist die einsamste Galapagos-Schildkröte der Welt. Ein Schabrackentapir schreibt an Funny van Dannen. Silberfische ziehen in den Krieg, Blaumeisen besinnen sich auf ihr Sauriererbe, und mutierte Nagetiere entführen ahnungs­lose Jogger ins Weltall ... Luxemburgs Satiriker Nr. 1 begibt sich in 13 ko­mi­schen Erzählungen auf abenteuerliche Expe­di­tionen ins Tierreich - und alle Reiche knapp daneben. So begegnet er nicht nur den letzten Prenzlauer-Berg-Wildschweinen sondern auch Spree­waldpygmäen, einem Impf­schamanen sowie dem traurigsten Gespenst der Welt.

Francis Kirps wuchs wohlbehu?tet in der luxemburgischen Provinz auf. Er studierte Psychologie in Straßburg und arbeitete u. a. als Schulpsychologe und Grundschullehrer. Erste Veröffentlichungen Ende der Neunziger in Zeitschriften und Anthologien, 2000 und 2001 machte er jeweils den zweiten Platz beim Concours littéraire national. 2003 wandte er sich dem Poetry Slam zu, absolvierte zahllose Slamauftritte und ist Mitglied der 'Lesebu?hne Luxemburg' sowie bei 'Ferkel im Wind' (Bonn). 2005 gru?ndete er zusammen mit Christian Bartel und Anselm Neft die Literaturzeitschrift EXOT, deren Redakteur er bis zur Einstellung 2015 war. Seit 2014 schreibt er Kolumnen fu?r die 'Wahrheit', die Satireseite der taz. 2012 erschien die Kurzprosasammlung 'Planet Luxemburg' im Verlag Andreas Reiffer, 2016 ebendort der Roman 'Die Klasse von 77 - Ein Punkrockroman'. Fu?r sein drittes Buch 'Die Mutationen - 7 Geschichten und ein Gedicht' (Hydre Éditions: 2019) erhielt Kirps den Prix Servais und den European Union Prize for Literature. Der Autor steht fu?r Lesungen sehr gerne zur Verfu?gung.

THE AFTERBITE DIARIES


In den letzten Sommerferien zog ich für ein paar Tage in mein altes Elternhaus in Walferdingen, um mich um die Katze zu kümmern und potenzielle Einbrecher durch meine bloße Anwesenheit abzuschrecken. Meine Eltern waren in Kopenhagen, und meine Schwester begleitete sie, damit sie nicht in den verwinkelten Gassen der dänischen Hauptstadt verloren gingen, ins Hafenbecken fielen oder sich in Christiania aus purem Herdentrieb einer Hippie-Kommune anschlossen.

Tag eins


Der erste Tag begann mit einer bösen Überraschung: Der Geschirrspüler war nicht ausgeräumt. Also würde ich ihn nicht benutzen können. Ich beschloss, das schmutzige Geschirr, das während meines Aufenthalts anfallen würde, einfach im elterlichen Schlafzimmer zu stapeln, als kleine Lektion. Dann schrieb ich meiner Schwester auf Facebook: »Der Geschirrspüler ist kaputt. Aber keine Sorge, ich habe eine Lösung gefunden. Und ja, der Katze geht es gut, und nein, ich rauche fast gar nicht.«

Von dem einsamen Spinnennetz, das ich im Flur entdeckt hatte, erzählte ich ihr aber lieber nichts, sonst würde sie sich nie mehr zurücktrauen, und wer sollte dann auf meine Eltern aufpassen, etwa ich?

Mit meiner Schwester kommunizierte ich in diesen Tagen nur über Facebook. Das Telefon hatte ich ausgehängt, sonst rief sie alle fünf Minuten an, um nach der Katze zu fragen. Dabei gehörte die Katze nicht mal ihr, sie war zugelaufen. Genau genommen hatte meine Schwester sie so lange angelockt, bis die Katze tat, als gehöre ihr das Haus mitsamt den Bewohnern. Niemand schien sie zu vermissen, aber das wunderte mich nicht. Sie war ziemlich asozial, sogar für eine Katze. Ich wollte sie Würmli taufen, weil sie Würmer hatte, aber der Vorschlag war nicht gut angekommen, und so hieß sie jetzt einfach »Die Katze«. Ein Zentner Sheba und anderer parfümierter Fleischabfall stapelten sich in der Küche und sollten ihr in den nächsten Tagen als Nahrung dienen.

Ich setzte mich an meinen Laptop und zündete eine Zigarette an, um den kreativen Fluxus anzukurbeln. Kommenden Samstag war die letzte »Ferkel im Wind«-Lesebühne der Saison, einen politischen Text hatte ich schon, jetzt brauchte ich noch eine bodenständige Alltagsgeschichte für den einfachen Mann von der Straße.

Zwei Stunden später schreckte ein fieses Surren mich aus dem Halbschlaf, und mein rechtes Handgelenk begann, tierisch zu jucken. Mückenstich. Die Insektenplage auf dem Land, das hatte ich ganz vergessen, urbaner Bohemien, der ich war. Der mit Pflanzen überladene Garten war schuld und natürlich die