1972 dachte Susan Sontag über einen Essay nach, der »Über das Sterben von Frauen« oder »Frauentode« oder »Wie Frauen sterben« heißen sollte. In ihrem Tagebuch findet sich unter dem StichwortMaterial eine Liste mit elf Toden, darunter der Tod von Virginia Woolf, der Tod von Marie Curie, der Tod von Jeanne d’Arc, der Tod von Rosa Luxemburg und der Tod von Alice James.1 Alice James starb 1892 mit 42 Jahren an Brustkrebs. In ihrem eigenen Tagebuch beschreibt sie den Tumor als »diese unheilige granitene Substanz in meiner Brust«.2 Sontag zitiert die Passage später inKrankheit als Metapher, dem Buch, das sie nach ihrer eigenen Brustkrebsbehandlung, diagnostiziert 1974 mit 41 Jahren, schrieb.3
Krankheit als Metapher nimmt Krebs nicht persönlich. Sontag schreibt »ich« und »Krebs« nicht im selben Satz. Bei Rachel Carson wird 1960 Brustkrebs festgestellt, als sie anSilent Spring arbeitet, einem der wichtigsten Bücher zur Kulturgeschichte von Krebs. Sie ist 53 Jahre alt. Auch Carson spricht nicht öffentlich über den Krebs, an dem sie 1964 stirbt.4 Tagebucheinträge aus der Zeit von Sontags Krebsbehandlung sind rar, und den wenigen, die sich finden, merkt man an, wie stark Brustkrebs das Denken beeinträchtigt, insbesondere durch die Chemotherapie, die schwere und langfristige kognitive Schäden verursachen kann. Im Februar 1976, während ihrer Chemotherapie, notiert Sontag: »Ich brauche eine mentale Turnhalle.«5 Der nächste Eintrag folgt Monate später, im Juni 1976: »Wenn ich wieder Briefe schreiben kann, dann …«6
In Jacqueline Susanns RomanDas Tal der Puppen aus dem Jahr 1966 stirbt eine Figur namens Jennifer, die sich vor einer Brustamputation fürchtet, nach ihrer Diagnose an einer freiwilligen Überdosis. »Mein ganzes Leben lang«, sagt Jennifer, »hat das Wort Krebs Tod, Schrecken und etwas so Fürchterliches bedeutet, dass es mich schaudern ließ. Und jetzt habe ich ihn. Aber das Komische daran ist, dass mir der Krebs selbst kein bisschen Angst macht – selbst wenn er sich als mein Todesurteil erweisen sollte. Es geht mir nur darum, wie er sich auf mein Leben […] auswirkt.«7 Auch die feministische Schriftstellerin Charlotte Perkins Gilman, Brustkrebsdiagnose 1932, begeht S