Der stoische Philosoph Musonius Rufus war einer der einflussreichsten Lehrer seiner Zeit – der römischen Kaiserzeit – und seine Botschaft ist noch heute verblüffend aktuell. Er zeichnete sich dadurch aus, dass er die damals üblichen Erwartungen und Werte auf ruhige Art infrage stellte. In seinen Texten lässt er hier und da einen trockenen Humor erkennen, zudem versteht er es, das Innerste des Lesers zu erreichen, und zwar nicht dadurch, dass er Gift und Galle spuckt wie die Straßenprediger, sondern indem er zum Beispiel fragt, warum wir für alles Mögliche so viel Mühe aufwenden, nur nicht dafür, zu lernen, wie man gut lebt. »Akrobaten«, so sagt er, »stellen sich ohne Bedenken ihren schwierigen Übungen und riskieren dabei ihr Leben. Sie schlagen Salti über nach oben gerichtete Schwerter oder balancieren in großer Höhe über ein Seil oder fliegen wie Vögel durch die Luft, wobei ein einziger Fehler den Tod nach sich zieht, und das alles für einen erbärmlich geringen Lohn.« Er fährt fort: »Und da sollten wir nicht bereit sein, um des vollkommenen Glücks willen Mühsal zu ertragen?« (Siehe Kapitel »Warum wir Mühsal verachten sollten«.)
Die stoischen Ansichten darüber, was gut ist oder was Glück bedeutet, stellen unser übliches Wertesystem allerdings auf den Kopf. Diese Art des Guten mag uns recht fremd vorkommen, so, wie