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Es stellte sich ganz unerwartet heraus, dass Erridgesich noch kurz zuvor um sein Testament gekümmert hatte. Er hatte George Tolland (zunächst zusammen mit Frederica sein Testamentsvollstrecker) durch ihren jüngsten, jetzt einzig überlebenden Bruder Hugo ersetzt. Dementsprechend hatten sich Hugo und Frederica, als ich in London ankam, bereits nach Thrubworth begeben. Die Unterbringungsmöglichkeiten in Erridges Flügel des Hauses waren begrenzt. Der Rest der Familie musste sich also, wie bei Georges Beerdigung, entscheiden, ob man am selben Tag wieder zurückreisen oder in»The Tolland Arms«übernachten wollte, einem Wirtshaus, das sich seit der Einrichtung einer Royal-Air-Force-Station in der Nachbarschaft erheblich verbessert hatte. Norah, Susan und ihr Ehemann Roddy Cutts sowie Isobel und ich wählten»The Tolland Arms«. Zufälligerweise war Dicky Umfraville gerade auf Urlaub aus Deutschland angekommen, wo er als Oberstleutnant im Stab der Militärregierung Dienst tat (ein Job, der ihm sehr zusagte); er weigerte sich allerdings strikt, Frederica zu begleiten.
»Ich hab deinen Bruder nie kennengelernt«, sagte er. »Deshalb wäre es eine Impertinenz meinerseits, seiner Beerdigung beizuwohnen. Außerdem ist – in mehr als einer Hinsicht die Umkehrung einer anderen Situation – zwar Platz in der Herberge, aber keiner im Stall. Niemand hätte weniger etwas gegen eine Pferdebox auf Thrubworth als ich, aber wir wären voneinander getrennt, mein Liebling, so nah und doch so fern – etwas, das ich nicht ertragen könnte. Zudem, und weit wichtiger, ich mag keine Beerdigungen. Sie erinnern mich an den Tod, ein Thema, dem ich stets aus dem Weg zu gehen versuche. Du wirst also alleine gehen müssen, Frederica, mein Engel, und so schnell wie möglich nach London zurückkehren, um meinen Urlaub zu einem Himmel auf Erden zu machen.«
Veronica, George Tollands Witwe, war ebenfalls nicht anwesend. Sie konnte jetzt jeden Tag niederkommen.
»Ich bete zu Gott, dass es ein Junge wird«, sagte Hugo. »Ich dachte immer, ich würde das alles gerne übernehmen. Aber jetzt nicht mehr – obwohl ich wohl kaum einen vergammelteren Earl abgeben würde als der arme alte Erry.«
Hugos allgemeines Verhalten war durch den Krieg ruhiger geworden, seine Kommentare neigten mehr und mehr zur Schroffheit. Seine gesamte Kriegsdienstzeit hatte er als Kanonier in einer Flakbatterie verbracht und England nicht verlassen. Er hatte dennoch eine ziemlich lebhafte Zeit durchgemacht. Zum Beispiel war er einmal nachts der einzige Mann an dem Geschütz gewesen, der nicht umgekommen ist. Jetzt verkaufte er wieder Antiquitäten, ein Beruf, in dem er sich als zunehmend erfolgreich erwies. Kürzlich hatte er sein eigenes Geschäft eröffnet; zusammen mit einem früheren Armeefreund namens Sam – er schien keinen Nachnamen zu besitzen –, kein großer Redner, aber gutmütig, mit einer kraftvollen Figur, angeblich von schneller Entschlusskraft, wenn auf einer Auktion ein gutes Stück angeboten wurde.
Wie Hugo – aber natürlich im Rahmen seines eigenen, sehr andersgearteten Temperaments, seiner eigenen Lebenshaltung – war auch Roddy Cutts ruhiger geworden. Dafür gab es genügend Gründe. Seine Kriegszeitromanze am Hauptquartier der Persien/Irak-Streitkräfte mit einer Kodierungsspezialistin, die er zu einem Zeitpunkt zu heiraten beabsichtigte, war in die Brüche gegangen, kurz nachdem er seiner Frau die Situation in einem Brief eröffnet hatte. Als sie in Teheran Urlaub machte, hatte sich die Kodierungsspezialistin plötzlich entschlossen, mit einem reichen Perser durchzubrennen und Roddy sich selbst zu überlassen. Susan, die sich während dieses unglückseligen Zwischenspiels makellos verhalten hatte, übernahm jetzt. Als Roddy wegen der Wahlen1945nach England zurückkehrte, arbeitete sie ungewöhnlich hart. Er wurde mit einer Mehrheit von wenigen hundert Stimmen wieder ins Parlament gewählt. Ihre Vormachtstellung war damit komplett, Roddy völlig unter ihrer Kont