: Anthony Powell
: Der Klang geheimer Harmonien Ein Tanz zur Musik der Zeit - Band 12
: Elfenbein Verlag
: 9783941184879
: 1
: CHF 16.20
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 300
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der zwölfbändige Zyklus 'Ein Tanz zur Musik der Zeit' -­ aufgrund­ seiner inhaltlichen­ wie formalen Gestaltung immer wieder mit Mar­cel Prousts 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' verglichen -­ gilt­ als­ das­ Hauptwerk des­ britischen Schriftstellers Anthony Powell und gehört zu den bedeutendsten Romanwerken des 20. Jahrhunderts. Inspiriert von ­dem ­gleichnamigen Bild des französischen Barockmalers Nicolas Poussin, zeichnet der Zyklus ein facettenreiches Bild der englischen Upperclass vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die späten sechziger Jahre. Aus der Perspektive des mit typisch britischem Humor und Understatement ausgestatteten Ich­-Erzählers Jenkins - der durch so­ manche­ biografische­ Parallele­ wie­ Powells­ Alter ­Ego­ anmutet - bietet der 'Tanz' eine Fülle von Figuren, Ereignissen, Beobachtungen und Erinnerungen, die einen einzigartigen und auf­schlussreichen Einblick geben in die Gedanken­welt der in England nach wie vor tonangebenden Gesellschaftsschicht mit ihren durchaus merkwürdigen Lebensgewohnheiten.

Anthony Powell (1905-2000) besuchte das Eton College, studierte in Oxford und heiratete eine Adlige. Er arbeitete als Lektor in einem Londoner Verlag, schrieb Drehbücher und Beiträge für britische Tageszeitungen, war Herausgeber des Magazins 'Punch' und Autor zahlreicher Romane. Jene gesellschaftliche Oberschicht Großbritanniens, der er selbst angehörte, porträtierte er in seinem zwölfbändigen Romanzyklus 'A Dance to the Music of Time'. Während seine Altersgenossen und Freunde Evelyn Waugh, Graham Greene und George Orwell sich auch im deutschsprachigen Raum bis heute großer Popularität erfreuen, ist Anthony Powell hierzulande noch nahezu unbekannt. Über den Übersetzer Heinz Feldmann vermerkte Anthony Powell in seinem Tagebuch: 'I am lucky to have him as a translator.'

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Die von Südenheranfliegenden Enten ignorierten die vier oder fünf dumpf dröhnenden Explosionen drüben beim Steinbruch. Der obere Teil des im Licht der Abendsonne ganz korallenrosa leuchtenden Kalksteinfelsens, im Vordergrund von dominant rechteckiger Struktur und mit seitlich aufsteigenden stufenartigen Plattformen, projizierte an nebligen Morgen ein verblassendes Trugbild babylonischer Terrassen, die im Dunst über dem Gewässer schweben – der Palast und seine hängenden Gärten in Mr. Deacons»Kyros als Knabe«, im Hintergrund skizziert hinter einer Gruppe vorderasiatischer junger Männer (möglicherweise junger Perser) –, ein Bild, dessen Tiefenwirkung im Schatten der Eingangshalle der Walpole-Wilsons ebenso nebulös erschien. Von dem ausgehöhlten Bett des kleinen Flusses aus war das ganze Ausmaß des Steinbruchs nicht zu überblicken, ausgenommen der kaum sichtbare Gipfel des Steilhangs einer Schutthalde, der sich hochschob zu den bergigen Verklumpungen schwebender Watte am Horizont, zu den Verdichtungen weißer Wolken, hier und da perforiert von sich öffnenden und wieder schließenden Lücken aus zartestem blauen Licht. Es war ein warmer, windiger Nachmittag. Das Gewitter am Mittag hatte keinen Regen gebracht. Die eine Wiederkehr des Unwetters vortäuschenden Sprengungen rührten die schwach schwelende Erinnerungsglut der Kriegszeit auf und riefen, zusammen mit den Enten, Gedanken an einen Streit zwischen General Bobrowski und General Philidor über das Schießen von Wildvögeln wach. Die von den Vögeln eingenommene (und von dem Polen und dem Franzosen mit heftigen Gesten imitierte) Winkelformation war jetzt deutlich zu erkennen, während sich der Schwarm zielgerichtet und fast vertikal nach unten drehte und sich zwischen dem Schilf und den Seerosen am hinteren Ende des Teiches niederließ. Zwei Rauchsäulen stiegen über einer Gruppe blauschwarzer Bäume auf, die dicht zusammengedrängt jenseits des verstaubten Wassers stand und schiefergraue Diagonalen über die Decke aus pulverigem Splitt kritzelte, die träge und durchsichtig über der abgeschirmten Abbaustelle hing. Metallische Gerüche, ähnlich denen in einem Laboratorium, wehten aus einer westlichen Richtung herunter und überlagerten die aus der Nähe kommende Witterung von Füchsen.

»Hier ist einer«, sagte Isobel. »Zumindest überlegt er sich die Sache.«

Wir hatten bereits die Erdspalten weiter unten am Bach abgesucht und schon fast die Hoffnung aufgegeben. Ein einzelner Flusskrebs tauchte von unter den Steinen auf, und ihm folgten unmittelbar zwei weitere. Endlich hatten wir Glück. Die drei Flusskrebse, schwärzliche Miniaturhummer von makaber wissendemVerhalten, warteten in einem Schlammbecken unter der Oberfläche zögernd ab. Die Entscheidung übernahm dann der als Zweiter aufgetauchte Flusskrebs. Er ging mit aufgeregter Selbstgefälligkeit voran, geschäftig gefolgt von den beiden anderen. Alle drei klammerten sich an gegenüberliegenden Sei­ten des äußeren Rahmens des Eisenrings, der das runde Drahtnetz der Falle hielt, die am Rand des Gewässers unter der Oberfläche hing. Dann schossen sie im gleichen Moment über die Netzfläche auf den Leckerbissen aus Schmeißfliegenfleisch zu, der in der Mitte befestigt war.

»Möchtest du die Schnur halten, Fiona?«, fragte Isobel. »War­te eine Sekunde. Ein vierter ist gerade dazugekommen.«

»Geben Sie sie mir.«

Der dunkelhaarige junge Mann sagte das in einem bestimmenden Ton. Er war uns als Scorpio Murtlock vorgestellt worden, und es war offensichtlich, dass er von den drei anderen als Chef anerkannt wurde. Da Fiona keinen Versuch unternahm, entweder als Frau oder als unsere Nichte auf ihrem Vorrecht zu bestehen, händigte Isobel ihm das Stück Band aus, an dem die Falle hing. Sein schon bei der Ankunft erkennbarer Status bedurfte einiger Beobachtung, um voll erfasst zu werden. Es war schwer einzuschätzen, wie alt er war. Er mochte jünger sein als Barnab