: Rob Reef
: Der Fall Lazarus Ein Stableford-Krimi aus Devon
: Dryas Verlag
: 9783948483111
: Britcrime
: 1
: CHF 8.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 290
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Heiligabend 1938. Auf dem Weg in die Weihnachtsferien stranden Professor Stableford und Sir Perceval Holmes im Tal von Gore. Der unheimliche Ort, der seit dem Mittelalter für das rege Treiben seiner Untoten bekannt ist, entwickelt sich auch für die beiden Freunde schnell zum Alptraum. Nach einem Zugunglück suchen sie in einem nahe gelegenen Herrenhaus Hilfe und werden dort Zeugen der Entdeckung eines brutalen Mordes. Stableford versucht sich an dessen Aufklärung, doch die Hinweise und Aussagen der Anwesenden sind dermaßen verstörend, dass er ins Zweifeln gerät, ob er diesem Fall allein mit weltlicher Logik beikommen kann.

Rob Reef studierte Literaturwissenschaft und Philosophie und arbeitet als Berater und Texter in einer Werbeagentur. Seine Kriminalromane folgen dem Muster klassischer 'Whodunits'. Reef lebt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Berlin.

Kapitel 1


Eskapismus
John Stableford, Professor für Literatur am Londoner Lazarus College, ließ das Buch auf seinen Schoß sinken und sah aus dem Fenster. Der Zug hatte seine Fahrt verlangsamt und sie passierten jetzt ein kleines unbeleuchtetes Bahnhofsgebäude. Stableford versuchte, den Namen der Station zu erhaschen, doch als sich seine Augen endlich an das Dämmerlicht dort draußen gewöhnt hatten, lag das verlassen wirkende Häuschen samt des kurzen schneebedeckten Bahnsteigs längst hinter ihnen.
»Antrum«, sagte Holmes, als sie plötzlich in einen Tunnel einfuhren. Das künstliche Licht im Abteil ließ das schmale Gesicht seines ihm gegenübersitzenden Freundes merkwürdig fremd und wächsern wirken. »Der Ort, den wir eben passierten«, fuhr Holmes nach einer kurzen Pause fort. »Sie suchten nach dem Stations­namen, nicht wahr?«
Stableford nickte.
»Es ist eine uralte Siedlung, idyllisch am River Lethe gelegen. Die Gegend war einmal für ihre üppigen Mohnfelder bekannt. Bei Sonnenuntergang soll die Landschaft einst förmlich in Flammen gestanden haben.«
Stableford sah Holmes ungläubig an. »Antrum« bedeutete im Lateinischen »Höhle« und war ein Tunnel nicht auch ein unterirdischer Hohlraum? Wenn man Ovid Glauben schenken wollte, lebte Hypnos, der Gott des Schlafes, in einer Höhle, durch die ein Fluss namens Lethe floss und an dessen Eingang Blumen und Kräuter mit einschläfernder Wirkung wuchsen. War es ein Zufall, dass Holmes gerade jetzt diese mythische Landschaft beschworen hatte, oder war Stableford das Opfer seiner klassischen Bildung und der eigenen Müdigkeit geworden und träumte das alles nur?
»Und was geschah dann?«, fragte er etwas unsicher.
»Die Felder wichen einem längst wieder aufgegebenen Militärstützpunkt. Heute liegt das Tal in einem tiefen Dämmerzustand, aus dem es so schnell wohl auch kein Erwachen mehr geben wird.«
Stableford dachte an Harriet und ihre gemeinsame Tochter Charlotte. Wenn alles nach Plan ginge, würde er die beiden am Abend auf Hatton Hall wiedersehen, wo sie, der Einladung von Lord Sampford folgend, das Weihnachtsfest verbringen würden.
Er blickte auf die alte Grabenuhr an seinem Handgelenk. Es war kurz vor halb vier. Dann schloss er die Augen. In ziemlich genau einer Stunde würden sie Tavistock, die erste Etappe auf ihrer heutigen Reise, erreicht haben. Doch wie es von dort weitergehen würde, wusste allein Holmes, der noch am Morgen mit ihrem baldigen Gastgeber telefoniert hatte, da dessen ursprünglicher Plan, die Freunde mit einem Wagen vom Bahnhof abholen zu lassen, aufgrund der winterlichen Wetterverhältnisse unmöglich geworden war.
Stableford hatte schon am Eingang der Waterloo Station, wo sie sich um kurz nach zehn getroffen hatten, von dem Telefonat erfahren und mehrmals versucht, Holmes nach dem Ergebnis dieser Un