: Alexander von Brünneck, Horst Dreier, Michael Wildt
: ad Ernst Fraenkel. Der Doppelstaat
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863935696
: 1
: CHF 4.50
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 112
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Der Doppelstaat' Ernst Fraenkel (1898-1975) ist ein Standardwerk über Politik, Justiz und Recht im Nationalsozialismus. Der 'Doppelstaat' ist die einzige kritische Untersuchung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, die innerhalb Deutschlands während der Jahre 1933 bis 1945 entstanden ist. Fraenkels These ist, dass im Nationalsozialismus zwei Formen der Herrschaft nebeneinander bestehen: Im 'Normenstaat' gelten die bisherigen Rechtsvorschriften in dem Umfang weiter, wie es zur Funktionsfähigkeit des fortexistierenden kapitalistischen Wirtschaftssystems erforderlich ist, und im 'Maßnahmenstaat' wird nicht nach rechtlichen Regeln, sondern nach Kriterien politischer Opportunität entschieden, um die Herrschaft des Regimes zu sichern. Alexander von Brünneck führt werkbiografisch in das Werk Fraenkels ein, Horst Dreier analysiert die Rezeption und Bedeutung dieser klassischen Studie und Michael Wildt schließt das Bändchen ab mit einem Beitrag 'Die politische Ordnung der Volksgemeinschaft. Fraenkels ?Doppelstaat? reconsidered'.

Ernst Fraenkel (1898-1975), bis zu seiner Flucht am 20. September 1938 Anwalt in Berlin. Seit 1951 lehrte er Politikwissenschaft am späteren Otto- Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Alexander von Brünneck, Professor em. für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht und Verfassungsgeschichte an der Europa Universität Viadrina unterstützte Ernst Fraenkel bei der Erstellung der ersten deutschen Ausgabe des Doppelstaates. Horst Dreier war bis zu seiner Emeritierung im September 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg. Michael Wildt ist Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt Nationalsozialismus und lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin.

I. Zur Geschichte des Buches


Habent sua fata libelli: Bücher haben ihre Schicksale. Auf Ernst Fraenkels Studie „Der Doppelstaat“1 trifft das in ganz besonderer Weise zu. Schon ihre Entstehung kann man nur als abenteuerlich bezeichnen. Der Autor, ein jüdischer Anwalt, verfaßt sein Werk unter konspirativen Umständen in den Jahren 1936 bis 1938 mitten in Deutschland, ja mitten in Berlin. In der Preußischen Staatsbibliothek sowie der Bibliothek des Kammergerichts trägt er das Material für sein Buch zusammen, im wesentlichen Gerichtsentscheidungen unterschiedlicher Instanzen der Zivil-, Straf-, Verwaltungs-, Arbeits- und Disziplinargerichtsbarkeit, dazu Aufsätze in Fachzeitschriften, amtliche Publikationen und sonstige einschlägige Literatur. Hieraus formt er seine Analyse der Herrschaftsstruktur des Nationalsozialismus. Um sich nicht verdächtig zu machen, gibt er Unmengen von Bestellungen zu allen möglichen anderen Themen und Sachgebieten auf, in denen dann die für ihn wesentlichen gewissermaßen versteckt untergebracht werden. Mit einigen Freunden spricht er über den Plan einer Publikation. Rechtzeitig vor seiner drohenden Verhaftung gewarnt, flieht er aus Deutschland. Das Manuskript des „Doppelstaates“ wird mit Hilfe eines Beamten der französischen Botschaft im Diplomatengepäck aus der deutschen Hauptstadt nach Paris geschmuggelt2. Fraenkel geht in die USA, wo im Jahre 1941 eine umgearbeitete und partiell erweiterte Version unter dem Titel „The Dual State“ erscheint3.

Nach seiner Rückkehr aus dem Exil nimmt Fraenkel in Berlin als Dozent an der Hochschule für Politik seine Lehrtätigkeit auf und wird 1953 zugleich als ordentlicher Professor an die dortige Freie Universität berufen, in die man 1959 die Hochschule für Politik als Otto-Suhr-Institut eingliedert4. Lange Zeit sträubt er sich gegen eine Übersetzung seines nur auf englisch verfügbaren Buches5, stimmt dann aber doch zu. So wird 1971 ein Verlagsvertrag abgeschlossen, und 1974 erscheint die deutsche Fassung als Rückübersetzung aus dem Englischen6, zu der Fraenkel ein aufschlußreiches Vorwort beisteuert7, in dem er insbesondere Alexander von Brünneck für dessen unermüdlichen Einsatz für die