Habent sua fata libelli: Bücher haben ihre Schicksale. Auf Ernst Fraenkels Studie „Der Doppelstaat“1 trifft das in ganz besonderer Weise zu. Schon ihre Entstehung kann man nur als abenteuerlich bezeichnen. Der Autor, ein jüdischer Anwalt, verfaßt sein Werk unter konspirativen Umständen in den Jahren 1936 bis 1938 mitten in Deutschland, ja mitten in Berlin. In der Preußischen Staatsbibliothek sowie der Bibliothek des Kammergerichts trägt er das Material für sein Buch zusammen, im wesentlichen Gerichtsentscheidungen unterschiedlicher Instanzen der Zivil-, Straf-, Verwaltungs-, Arbeits- und Disziplinargerichtsbarkeit, dazu Aufsätze in Fachzeitschriften, amtliche Publikationen und sonstige einschlägige Literatur. Hieraus formt er seine Analyse der Herrschaftsstruktur des Nationalsozialismus. Um sich nicht verdächtig zu machen, gibt er Unmengen von Bestellungen zu allen möglichen anderen Themen und Sachgebieten auf, in denen dann die für ihn wesentlichen gewissermaßen versteckt untergebracht werden. Mit einigen Freunden spricht er über den Plan einer Publikation. Rechtzeitig vor seiner drohenden Verhaftung gewarnt, flieht er aus Deutschland. Das Manuskript des „Doppelstaates“ wird mit Hilfe eines Beamten der französischen Botschaft im Diplomatengepäck aus der deutschen Hauptstadt nach Paris geschmuggelt2. Fraenkel geht in die USA, wo im Jahre 1941 eine umgearbeitete und partiell erweiterte Version unter dem Titel „The Dual State“ erscheint3.
Nach seiner Rückkehr aus dem Exil nimmt Fraenkel in Berlin als Dozent an der Hochschule für Politik seine Lehrtätigkeit auf und wird 1953 zugleich als ordentlicher Professor an die dortige Freie Universität berufen, in die man 1959 die Hochschule für Politik als Otto-Suhr-Institut eingliedert4. Lange Zeit sträubt er sich gegen eine Übersetzung seines nur auf englisch verfügbaren Buches5, stimmt dann aber doch zu. So wird 1971 ein Verlagsvertrag abgeschlossen, und 1974 erscheint die deutsche Fassung als Rückübersetzung aus dem Englischen6, zu der Fraenkel ein aufschlußreiches Vorwort beisteuert7, in dem er insbesondere Alexander von Brünneck für dessen unermüdlichen Einsatz für die