: Nicole Lingen
: Finsteres Donautal Niederbayern Krimi
: Emons Verlag
: 9783960417736
: 1
: CHF 7.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 352
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein eindringlicher Roman über Wahrheit, Wut und Verzweiflung. Tami, die Schwester der einstmals besten Freundin von Mordermittlerin Sophia Alvarez, wird tot aus der Donau geborgen. Zunächst deutet alles auf einen Suizid hin. Doch die junge Frau war seit einem schweren Unfall vom Hals an gelähmt und hätte sich keinesfalls aus eigener Kraft in den Fluss stürzen können. Tatsächlich geraten bald einige Verdächtige in Sophias Fokus. Denn nicht alle scheinen aufrichtig um Tami zu trauern ...

Nicole Lingen studierte nach dem Abitur in München Sprachen und arbeitete als Journalistin. Über ein Stipendium der Filmhochschule München kam sie zum Drehbuch. 25 Fernsehfilme und noch einmal so viele Folgen verschiedener Serien stammen aus ihrer Feder. Ihr jüngstes Projekt: die zweite Staffel (2021) der Familienserie 'Racko, ein Hund für alle Fälle'. Für das Drehbuch des Fernsehfilms 'Enthüllung einer Ehe' erhielt sie den Robert-Geisendörfer-Preis.

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»Überraschung, Sophia!«

Allein dieses Wort löste in ihr Unbehagen aus. Bei Sophia Alvarez, ehemals Mordermittlerin in München, jetzt Polizeihauptmeisterin im niederbayerischen Bogen, schrillten sämtliche Alarmsignale. Wie vor einem Jahr, als sie degradiert und strafversetzt worden war.

Auch jetzt war es wieder da, dieses Gefühl, als würden sich zwei Hände um ihren Hals legen.Überraschung, so leicht, locker-flockig und gut gelaunt ausgesprochen. Es verhieß nichts Gutes. Zumindest nicht in ihrem Leben.

»Überraschung, Sophia!« Alexander, ihr Ehemann, besser gesagt Ex-Ehemann, war der Erste gewesen, der ihr das früher einmal durchaus positiv besetzte Wort für immer versaut hatte: »Ich hab mich in eine andere Frau verliebt. Du bist doch mit der Scheidung einverstanden, Sophia? Ich meine, du bist sowieso mehr mit deinem Beruf verheiratet als mit mir.«

»Überraschung, Mama!«, hatten ihre Kinder, die dreizehnjährige Emma und der siebzehnjährige Raffa, in den Chor der lebensverändernden Überraschungen mit eingestimmt. »Papa wird wieder Papa, und die Gaby, die ist echt okay!«

»Überraschung, Alvarez!«, das wiederum hatte August Ertl verkündet, ihr Ex-Chef bei der Münchner Mordkommission, nachdem sie wieder einmal zu eigenmächtig für seinen Geschmack und den Geschmack ihrer Kollegen gehandelt hatte. »Sie ziehen wieder Uniform an und gehen zurück in den Bayerischen Wald.«

An den Bayerischen Wald oder, um genau zu sein, das Donautal hatte sie sich wieder gewöhnt. Auch wenn sie noch immer den Architekten am liebsten verhaften würde, der ihr den Blick auf den Bogenberg mit seiner Wallfahrtskirche mit einem hässlichen Hochhaus versaut hatte. Jedes Mal wieder ärgerte sie sich darüber, wenn sie nach dem Besuch bei ihren Kindern von München zurück an den Ort fuhr, der noch immer nicht ganz ihr Zuhause war.

»Hat sich jemand über mich beschwert, Boss?«, hatte sie Ertl damals, vor über einem Jahr, gefragt, und er hatte geantwortet: »Es gibt niemanden, der sich nicht über Sie beschwert hätte, Alvarez.«

Am schlimmsten war jedoch die Auswirkung einer Überraschung gewesen, die ihr Emma vor knapp einem Jahr hatte bereiten wollen. Ein Überraschungsbesuch in Bogen, der niederbayerischen Kleinstadt, in die es Sophia verschlagen hatte.Back to the roots. Auf dem Bauernhof ihrer Familie mütterlicherseits. Der Vater ein portugiesischer Wanderarbeiter, von dem Sophia viele Jahre lang gedacht hatte, die Großmutter hätte ihn erschlagen, von dem sie aber heute wusste, dass er nach einem Streit einfach seine Sachen gepackt hatte und, ohne ihr eine Nachricht zu hinterlassen, weitergewandert war.

Auch eine Überraschung, auf die sie hätte verzichten können. Bis heute ahnte sie nicht einmal, was aus ihrem geliebten Vater, dem stolzen, schönen Tiago Alvarez, geworden war.

Nach der Trennung von Alexander hatten die Kinder entschieden, beim Vater, dem Baby und der neuen Frau zu bleiben, mit ihren regelmäßigen und gemeinsamen Mahlzeiten, Abend für Abend um einen gemeinsamen Tisch. Kein Pizzaholen oder den Kindern zwanzig Euro für einen Döner in die Hand drücken. Sie hatte gedacht, die Kids von heute fänden das cool. Offenbar war jedoch ökologi