: Marie Sanders
: Die Frauen vom Nordstrand - Jahre des Wandels Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841228161
: Die Seebad-Saga
: 1
: CHF 3.30
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

M treißend und emotional - der fulminante Abschluss der Bestseller-Trilogie. /p>

St. Peter, 1958: Anni hat dem Hotel »Seeperle« eine neue Bestimmung gegeben, die nicht überall auf Zustimmung stößt - die lokale Presse reagiert sehr verhalten. Ihre Freundinnen unterstützen sie weiterhin, so gut sie können, doch die Ärztin Helena hat mit eigenen Problemen zu kämpfen, und Edith scheint von ihrem größten Geheimnis eingeholt zu werden. Nun muss sie kämpfen - um ihre Zukunft genauso wie um ihre Liebsten. Und dann bekommt auch noch Anni unerwarteten Besuch, der ihr Leben auf den Kopf zu stellen droht ...

Drei Freundinnen in den fünfziger Jahren zwischen Hoffnung, Emanzipation und Freiheit.



Hinter Marie Sanders verbirgt sich Bestsellerautorin Steffi von Wolff. Die 1966 bei Frankfurt geborene Journalistin arbeitete jahrelang für verschiedene Radiosender und hat zahlreiche Romane veröffentlicht. Schon immer wollte sie über die fünfziger Jahre schreiben, ein Jahrzehnt, das sie seit jeher fasziniert hat. Steffi von Wolff lebt in Hamburg, die Sommer verbringt sie zum Schreiben auf einem Boot in Dänemark. Im Aufbau Taschenbuch liegen bereits Band 1 und 2 der Seebad-Saga vor.

•••Kapitel 1


St. Peter, im Juli 1958

»Ha!« Edith strich ihre rotbraunen Locken zurück und wedelte ihren beiden Freundinnen mit der Zeitung vor den Gesichtern herum. »Hab ich es nicht gesagt?«

»Was denn?«, fragte Anni und auch Helena schaute die Freundin fragend an.

»Ja, was denn wohl?« Edith stand auf, nahm ihre Kaffeetasse und setzte sich auf das Geländer der kleinen Holzveranda, die zu ihrem Ferienhaus, derVilla Nielsen, im Stadtteil Böhl gehörte.

»Hört mal! Das Gleichberechtigungsgesetz ist am ersten Juli offiziell in Kraft getreten und in den Tageszeitungen werden die Reaktionen der Bevölkerung abgedruckt. Ihr könnt euch nicht vorstellen … Also, passt auf. Wo stand das …«

Helena nahm sich noch ein Brötchen und verdrehte die Augen. Anni musste kichern. Edith war mit Feuereifer bei der Sache, was die Gleichberechtigung anging, und betätigte sich schon seit Jahren gegen diese »frauenunwürdigen Zustände«. Man hatte ihr nach der Geburt das Sorgerecht für ihre Tochter Pauline entzogen, weil man als alleinstehende Frau natürlich kein Kind großziehen konnte, so hatte Edith es stets sarkastisch formuliert. Erst nachdem sie ihren guten Freund Robert geheiratet hatte, durfte sie Pauline, die bis dahin in einem Kinderheim oder bei Pflegeeltern lebte, zu sich holen. Edith war so glücklich gewesen wie nie zuvor. Mit Robert hatte sie einen wunderbaren Mann an ihrer Seite, der Pauline liebte und keinen Unterschied zwischen ihr und dem, mittlerweile zweijährigen, Carl Robert machte, seinem und Ediths Sohn. Sie waren eine glückliche Familie, ein sonniges Kleeblatt, wie Anni immer sagte. Wann immer es ging, kam Edith aus Frankfurt nach St. Peter, hier hatten sie vor einigen Jahren im Stadtteil Böhl ein altes Ferienhaus gekauft und Edith hatte es wunderbar hergerichtet. Ein richtiges Wohlfühlnest, wie Isa, Annis Haushälterin und die gute Seele von St. Peter, es nannte. Sie kümmerte sich um die »Villa Nielsen«, wie sie das kleine Haus nannte, und richtete es stets her, bevor Edith mit ihrer Familie anreiste.

In Hessen waren nun Sommerferien und Edith würde mit den Kindern die ganzen Wochen hierbleiben. Sie liebte ihre Freundinnen, sie liebte St. Peter und sie liebte die Nordsee.

Anni hatte das Hotel ihrer Familie, dieSeeperle, zu einem Erholungsheim umgebaut, hier fanden Frauen und deren Kinder, solange es nötig war, Zuflucht vor ihren gewalttätigen und übergriffigen Ehemännern.

In diesem Frühjahr waren die Umbauarbeiten abgeschlossen worden, und Anni hatte sich an die Presse gewandt, die das alles mit gemischten Reaktionen aufgenommen hatte.

»Brauchen wir das wirklich?«, war eine der Überschriften gewesen, oder »Hier hatKEIN Mann das Sagen!«

Lediglich zwei Redakteurinnen hatten sich gegen ihre männlichen Kollegen durchgesetzt und sich die Mühe gemacht, extra nach St. Peter in dieSeeperle zu kommen, um ein Interview mit Anni zu führen und sich ein Bild von der Einrichtung und den Bewohnerinnen und den Kindern zu machen.

Diese beiden schrieben positiv über die Einrichtung, sie sahen nur ein Problem – wie konnte man die gewaltbereiten Ehemänner und Väter davon abhalten, hierherzukommen und ihre Frauen und Kinder zurückzuholen? Darüber hatte Anni mit Isa und ihrem Mann und vor allen Dingen gutem Freund Hinnerk oft gesprochen und nachgedacht.

Zunächst wurde der junge Bruno angeschafft, ein riesiger Mischlingshund aus dem Tierheim, der das Haus bewachen sollte. Aber Bruno dachte gar nicht daran, er ließ sich lieber den ganzen Tag lang streicheln und mit Leckereien füttern, auf den Befehl »Pass auf!« reagierte er höchstens mit einem müden Schwanzwedeln, um dann zu gähnen. Am liebsten lag Bruno lang ausgestreckt genau an der engsten Stelle eines Raums, so dass man ihn ständig beiseiteschieben oder über ihn drüberklettern musste.

»Frag doch mal einen der Herren aus deiner Hamburger Zeit«, hatte die Ärztin Helena vorgeschlagen. »Immerhin hast du doch dort direkt an der Quelle gesessen.«

Das stimmte. Anni hatte vor einigen Jahren St. Peter Hals über Kopf verlassen, aus Sorge, man könnte ihr nach der Trennung von ihrem Mann Hinnerk ihre neugeborene Tochter Lisbeth wegnehmen. Sie war nach Hamburg gegangen, um dort ihre beste Freundin Rena zu suchen, die aus Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann Gerhard dort untergetaucht war und in dem BordellChérie gearbeitet hatte.

Anni hatte sich während ihrer Hamburger Zeit auf dem Kiez wohlgefühlt wie ein Fisch im Wasser und für den Nachtclub die Buchhaltung gemacht. Und natürlich hatte sie viele Bekanntschaften gemacht, angefangen von Bubi, dem hünenhaften Türsteher des Etablissements und Mädchen für alles, oder Ronny, von dem man nicht so genau wusste, was er so alles machte – und was auch keiner so genau wissen wollte. Ronny jedenfalls war ein Mann, den man wahlweise im Dunkeln an seiner Seite haben oder dem man nachts nicht begegnen wollte. Er war noch größer als Bubi, hatte die breitesten Schultern, die man je gesehen hatte, und war grundsätzlich zu jeder Tages- und Nachtzeit in schwarzes Leder gekleidet. Und er hatte einen Narren an der kleinen Lisbeth gefressen.

Bubi und Ronny waren tatsächlich auf Annis Bitte hin nach St. Peter gekommen und eine Zeit lang geblieben. Sie bezogen ein Doppelzimmer mit Rosentapeten und Rosenbettwäsche und Rosenwaschbecken – was Ronny mit Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm – im Erdgeschoss derSeeperle und tatsächlich, als zwei Ehemänner ihre Frauen und Kinder mit Gewalt zurückholen wollten, traten Bubi und Ronny in Erscheinung, und man machte den Männern unmissverständlich und mit viel Nachdruck klar, dass sie sich umdrehen, gehen und nie wiederkommen sollten.

Von da an reisten sie regelmäßig aus Hamburg an und blieben immer ein paar Tage, aber man wusste nie, wann sie da waren und wann nicht, sie meldeten sich nicht an und nicht ab. Außerdem war Hinnerk ja auch noch da. Der war ruckzuck aus demHaus Ragnhild, der Pension seiner Eltern, in derSeeperle.

Vor allem die männlichen Dorfbewohner betrachteten die umgemodelteSeeperle argwöhnisch und mit Skepsis. Was machte die kleine Anni Janssen denn da, was waren denn das für neue Sitten? Frauen weg von ihren Männern, wo gab’s das denn? Aber die meisten, denen Anni und auch die Ärztin und Annis Freundin Helena es erklärten, kapierten es, auch wenn es dauerte. Steine in den Weg legte ihnen niemand, da hielt man in St. Peter schon zusammen.

In Annis Büro bei den Fotos stand im silbernen Rahmen eine Fotografie von Bubi und Ronny, wie sie friedlich aneinander gekuschelt in dem großen Rosenzimmerdoppelbett lagen und schliefen; ein Bild für die Götter – Anni hatte sie heimlich aufgenommen, und die beiden wussten nichts davon, sicher würden sie Anni die Hölle heiß machen, wenn dieses Foto an die Kiezbewohner gelangte.

Jedenfalls schien es sich wie auch immer herumzusprechen, dass es Ronny und Bubi gab und mit ihnen, wenn’s drauf ankam, nicht gut Kirschen essen war.

Man hatte hier in derSeeperle also seine Beschützer.

Von einer Bezahlung wollten die beiden Hünen nichts wissen.

»Die gute Luft hier und das wundervolle Essen von eurer Isa sind Bezahlung genug!«, hatte Ronny gesagt. »Außerdem sehen wir so regelmäßig unser Herzblättchen.«

Lisbeth konnte eins perfekt: Alle Menschen und vor allen Dingen aber Bubi und Ronny um den Finger wickeln. Es genügte ein Blick aus ihren großen, glänzenden blauen Augen, dazu ein Lächeln und ein »Buuubi, Rooooonny« und die beiden schmolzen dahin. Natürlich wurden aus Hamburg immer Geschenke mitgebracht, letztens kamen sie mit einem Puppenwagen an, und Mutti, die Besitzerin desChérie, hatte rosa und lila Haarschleifchen für die Kleine mitgegeben und ein kleines Kaleidoskop, das Lisbeth liebte.

Helena schnitt ihr Brötchen auf und gab Butter auf die eine Hälfte, dann einen von Isas selbst gemachten Gelees.

»Also wollt ihr es nun hören oder nicht?«, fragte Edith, die stirnrunzelnd die Texte überflog.

»Ja gern«, sagte Anni freundlich, obwohl sie Ediths Lamentiererei über die...