Vorwort
Claus Bockmaier
Dieses Buch erscheint treffend zum Fest- und Themenjahr »321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Der Band will einen Beitrag seitens der Musik dazu leisten. Sein Ausgangspunkt ist indes die wissenschaftliche Konferenz zum Thema »Jüdische Musik im süddeutschen Raum – Geschichte, Exil, Fort-leben«, die am 11.–12. Juli 2019 an der Hochschule für Musik und Theater Mün-chen (HMTM) stattfand. Dabei hat das Hauptgebäude in der Arcisstraße 12 als Tagungsort seine eigene Bedeutung: Hier, im einstigen NS-›Führerbau‹ – wo am 29.–30. September 1938 das ›Münchner Abkommen‹ zur Zwangseingliederung des tschechoslowakischen Sudetenlands in das Deutsche Reich getroffen worden war –, erfolgte nun ein besonderer Akt der Erinnerungskultur: Die Musik der unter dem Nationalsozialismus verfolgten deutschen Juden hat bewusst an dieser Stätte eine lebendige Erforschung und Würdigung erfahren, sodass man hier im größeren thematischen Sinn dieses Bandes auch von einemmapping point, einem Kartierungspunkt sprechen kann. Eine solche lokale Bezugsgröße zeigt im Übrigen auch das Coverbild: die Alte Münchner Hauptsynagoge1 – eingeweiht 1887, abgerissen im Juni 1938, also schon vor den Novemberpogromen.
Bei der Tagung 2019 haben sich in acht Symposiumssitzungen mit insgesamt 16 Vorträgen Musikhistoriker, Musikethnologen und Judaisten aus Europa, den USA und Israel mit dem vielschichtigen Phänomen ›Jüdische Musik‹ auseinandergesetzt, das in der Historiografie und der jüngeren Diskussion in durchaus wechselnden, Vorstellungshorizonte immer wieder erweiternden Definitionen gefasst worden ist. In der Konferenz ging es um Prozesse und Profile der Musik und deren Bedingungen in jüdischen Kontexten, um Komposition, Interpretation und Rezeption dieser Musik, um das Agieren und Gestalten jüdischer wie auch nicht-jüdischer Musiker in den betreffenden Zusammenhängen. Das Bezugsfeld der Betrachtungen bildete der süddeutsche Raum – von außen gesehen mit den Ländern Bayern und Baden-Württemberg, dem südlichen Rheinland-Pfalz sowie Hessen südlich des Mains – als geografisch, politisch und kulturell zu umrei-ßende, jedoch nicht strikt definierte Größe. Die Leitung der Tagung lag in den Händen von Prof. Dr. Tina Frühauf von der Columbia University New York, die im Sommersemester 2019 eine DAAD-Gastprofessur an dieser Hochschule innehatte, sowie von meiner Person se