: Sven Michaelsen
: »Sie sind wohl übers Ufer getreten, Sie Rinnsal!« Wenn berühmte Künstler hassen, lieben und lästern
: Piper Verlag
: 9783492600224
: 1
: CHF 16.20
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: Geschenkbücher
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie man mit Stil kränkt und mit Poesie ein Herz verzaubert Vornrum schöntun und hintenrum meucheln: Wenn die Stars unserer Kultur sich in den Haaren liegen, wird mit einer natterzüngigen Finesse verletzt, die ihresgleichen sucht. Der Journalist Sven Michaelsen hat aus hunderten seiner Interviews die Gipfelpunkte von Häme und Heuchelei, von Rachsucht und Mordlust zusammengetragen. Er zeigt, dass Ranküne unter Geistesgrößen verhüllte Wahrheiten und uneingestandene Erkenntnisse ans Licht hebt. Steht dann aber das Herz eines Kränkungskünstlers in Flammen, spürt der Leser erleichtert, dass es sie doch gibt: die grandiose Liebe, larger than life. Zu Wort kommen neben vielen weiteren: Woody Allen, Friedrich Dürrenmatt, John Updike, Ruth Klüger, Denis Scheck, Peter Handke, Daniel Kehlmann, Karl Lagerfeld, Marcel Reich-Ranicki, Steven Spielberg, Martin Walser, Raimund Fellinger, Thomas Brasch, Joachim Kaiser, Hannelore Hoger, Ken Follett, Anjelica Huston, Leander Haußmann, David Hockney, Inge Feltrinelli, Siegfried Unseld, Donatella Versace

Sven Michaelsen studierte Literatur und Geschichte, war Reporter und Autor beim »Stern«, interviewt für das »SZ-Magazin« seit 2007 die Leitfiguren und Idole unserer Zeit, wurde zwei Mal mit dem »Deutschen Reporterpreis« ausgezeichnet und schrieb neun Bücher. Über Michaelsens Buch »Starschnitte« schrieb der Schriftsteller Rainald Goetz: »Ein unglaublich gutes Buch mit furiosem Tempo. Jeder Satz ein Treffer.« Peter Lückemeier von der »FAZ« urteilte: »Ein wunderbares Buch, das ich nachdrücklich zur Lektüre empfehle.« Über Michaelsens Buch »Das drucken Sie aber nicht!« schrieb der Philosoph Peter Sloterdijk: »Mit seinen Interviews schadet Michaelsen der Dummheit.« Der Schriftsteller Martin Walser urteilte: »Wenn ich an die Gespräche mit Sven Michaelsen denke, kommt es mir vor, als sei es immer die durch ihn bestimmte Distanz gewesen, die das Gespräch so erträglich gemacht hat. Eine Distanz, glaube ich, die auf Freundlichkeit gestimmt war. Eine Distanz ohne Vorurteil. Also kein bisschen zudringlich. Eigentlich ist er ein Intellektueller, der die Sachlichkeit zum Blühen bringt. Und das mit einer mühelos wirkenden Eleganz. Unsereiner kann froh sein, dass es ihn gibt.«

Erstes Kapitel


in dem John Lennon nackt im Hotel Sacher in Wien auftritt, Bernd Eichinger mittags zwischen Pornokassetten aufwacht, Theodor W. Adorno eine akademische Dame ins Bett kriegen will, Charlotte Rampling im 500er-Mercedes gegen einen Laternenpfahl fährt, Peter Handke die Journalisten vonSpiegel undZeit als »Schattenficker mit Außenalsterblick« verhöhnt und Siegfried Unseld von einem morphiumsüchtigen Schriftsteller gewürgt wird, bis sein Kopf blaurot anläuft.

 

Ulli Lommel, Schauspieler und Regisseur: Andy Warhol war unfähig, allein zu sein. Wenn ich mit ihm essen ging, saßen meist Bianca Jagger, Peter Beard, Jackie Kennedy Onassis und Truman Capote mit am Tisch. Jackie trug stets Chanel und hatte eine piepsige Babystimme wie Marilyn Monroe, Truman war meist blau und trug fleckige Jeans zu gammligen Turnschuhen Größe neununddreißig. Ich liebte seinen gefeierten RomanFrühstück bei Tiffany, wusste aber, dass er wegen seines pompösen Lebensstils seit Jahren pleite war und sich bei Gönnern durchschnorrte. Als er in meiner New Yorker Wohnung auf der Couch übernachtet hatte, bat er statt eines Frühstücks um einen großen Cognac mit einem kleinen Schuss Kaffee. Ich fragte ihn, ob er eigentlich je bei Tiffany& Co. gewesen sei. Als er Nein sagte, ließen wir uns fünf Minuten später in einem Taxi zu Tiffany in die Fifth Avenue fahren. Im Laden war es still wie in einem Mausoleum. Keiner der Verkäufer erkannte ihn – und bei so was wurde Truman ungemütlich. Er legte sich wie ein Penner der Länge nach vor den Eingang und schloss demonstrativ die Augen. Als der Wachmann »What the fuck!« schrie und ihn abtransportieren wollte, kreischte er mit seiner Eunuchenstimme wie am Spieß. Ich sagte zum Wachmann: »Sir, das ist der Schriftsteller Truman Capote, der Ihren Laden weltberühmt gemacht hat.« Ich bekam zur Antwort: »Und wer sind Sie? Jack Nicholson?« Eine halbe Stunde später saßen wir auf einem Polizeirevier und wurden wegen Unruhestiftung vernommen.

 

John Updike, Schriftsteller: Ein Celebrity zu sein ist ein schrecklicher Energieaufwand, denn man muss sich dauernd Mühe geben, für andere glücklich auszusehen. Sehen Sie sich an, was aus Truman Capote geworden ist. Er ist als Schriftsteller zerstört worden durch sein Interesse an der Seifenblase Ruhm. Es verdirbt das Schreiben, wenn man eine Person von öffentlicher Bedeutung sein will. Man kann sehen oder gesehen werden, und Ruhm kann die Augen fett machen. Ich wohne seit Jahren mit dem Rücken zur Welt in einem Haus mit Blick über die Massachussetts Bay vierzig Autominuten von Boston entfernt. Mein Land ist verrückt nach Celebritys, ohne dass gefragt wird, warum jemand ein Celebrity ist. Wenn man wie ich die Sehnsucht hat zu gefallen und durch Schmeicheleien verführbar ist, sollte man zum Prominentenzirkus Abstand wahren. Ich habe New York 1957 verlassen, weil es für meine Wesensart besser ist, unter Menschen zu leben, die keine Romane lesen. Es ist für mich eine Gnade, hier nicht der Schriftsteller zu sein, den alle kennen, denn Berühmtheit ist eine Maske, die sich ins Gesicht frisst. Irgendwann stellen Sie fest, die Maske ist zu Ihrem Gesicht geworden.

 

Plácido Domingo, Tenor: Als Montserrat Caballé in der Metropolitan Opera in New York sang, stand die Sopranistin Birgit Nilsson hinter der Bühne und lauschte. Ein Aufpasser wollte wissen, was sie da mache. Nilsson antwortete: »Ich bin hier, um Madame Aballé singen zu hören.« »Madame Aballé? Sie meinen Madame Caballé?« »Nein. Madame Aballé. Hören Sie doch hin: Sie hat ihr C verloren!«

 

Armin Mueller-Stahl, Schauspieler: Kurz vor seinem Tod traf ich Heiner Müller in Kalifornien. Dass er Speiseröhrenkrebs hatte, wusste ich nicht. Ich kannte ihn aus DDR-Zeiten sehr gut und hatte Hemmungen, zum Treffen hinzugehen, weil ich weiß, wie das ist mit Leuten, die berühmt geworden sind. Sie glauben, sie müssen ihre Muskeln spielen lassen: Ich bin besser, ich bin erfolgreicher, ich bin berühmter als du! Ich begegnete dann einem völlig anderen Heiner Müller. Jede Eitelkeit war weg. Das brachte mich auf den Gedanken, er sei möglicherweise sehr krank, und die Weisheit des am eigenen Grab Stehenden lasse ihn so konkurrenzlos aussehen, so freundlich, so liebenswert, so zart. Er hielt sich wirklich wie ein Kind an mich, und ich fragte: »Heiner, warum hast du dich mit der Stasi eingelassen?« Er antwortete: »Armin, du weißt doch, die Revolution der Deutschen ist die Denunziation. Es gibt auch ein Menschenrecht auf Feigheit.«

 

Denis Scheck, Kritiker: Ich war mal bei der Harry-Potter-Erfinderin J. K. Rowling zu Hause. Sie war sehr freundlich und professionell. Mein Kameramann fragte sie, ob er ein signiertes Buch haben dürfe. Sie erwiderte: »Aber selbstverständlich!« Beim Verlassen des Hauses tippte ihm eine von Rowling losgeschic