: Markus Brandis
: La maniera tedesca Eine Studie zum historischen Verständnis der Gothik im Italien der Renaissance in der Geschichtsschreibung, Kunsttheorie und Baupraxis
: VDG Weimar - Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften
: 9783958992139
: 1
: CHF 17.90
:
: Architektur
: German
: 400
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Der Baustil der vielen gotischen Gebäude in Italien wurde in der Renaissance vor allem abwertend als 'maniera tedesca' ('deutscher Stil') bezeichnet. Man hatte sich ganz der neuen Baukunst verschrieben, die sich an der wieder entdeckten Antike orientierte. Das Buch beginnt mit dem ersten Erwachen eines historischen Bewusstseins im 13. Jahrhundert: Petrarca u.a. gaben in ihren Schriften Zeugniss von der anbrechenden neuen Zeit und verdammten zugleich das 'finstere' Mittelalter. Auf diesem Geschichtsverständnis errichteten die Theoretiker des Quattrocento ihre Systeme, die die Architektur der Antike auch in ästhetischer Hinsicht über die gotische Bauweise stellten. In den Traktaten eines Ghiberti, Alberti und Filarete finden sich zahlreiche Äusserungen über die Gotik und das Mittelalter. Der Autor hat dabei die oft nur wenig verständlichen frühen italienischen und mittellateinischen Texte allesamt mit Übersetzungen versehen und der deutschen Renaissanceforschung somit auch eine wichtige Quellensammlung zur Verfügung gestellt. Im 16. Jahrhundert erfuhr die italienische 'Gotikfeindschaft' ihren Höhepunkt. Doch was geschah mit den noch unvollendeten Grossbauten wie dem Mailänder Dom oder St. Petronio in Bologna? Die grösste Bauaufgabe der Zeit wird hier anhand der Geschichte von St. Petronio beispielhaft vorgeführt. So setzte sich die selbstbewusste Bürgerschaft Bolognas gegen alle Vorschläge der berühmtesten zeitgenössischen Architekten für die Beibehaltung des gotischen Stils durch. Der neue Renaissancestil versinnbildlichte Rom, das Papsttum und damit die Macht des Kirchenstaates. Die 'maniera tedesca' wurde zum Symbol der einstigen Freiheit der Kommune im Mittelalter. Eine wichtige Studie zur Kunst- und Kulturgeschichte der italienischen Renaissance sowie zur Stilgeschichte in der Zeitenwende und gleichzeitig eine umfangreiche Quellensammlung. Mit einem ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis sowie 17 Abbildungen.
Cover1
Impressum5
Inhalt6
Vorwort12
Einleitung16
1 Erster Teil: Vorbedingungen. Das Bild des Mittelalters in den Geschichtsquellen der fru¨hen Renaissance36
1.1 Die Anfänge der italienischen Historiographie: Giovanni Villani36
1.2 Die kritische Beurteilung der eigenen Zeit: Francesco Petrarca40
1.3 Die Gegenüberstellung der ›neuen‹ und der ›alten‹ Kunst: Filippo Villani44
1.4 Die glorreiche Vergangenheit der Kommune Florenz: Leonardo Bruni47
1.5 Die Entstehung einer ›bewussten Distanz‹ zum Mittelalter: Flavio Biondo51
1.6 Klage über die gesamte mittelalterliche Kunst und Kultur sowie Wunsch nach Erneuerung: Poggio Bracciolini und Lorenzo Valla55
1.7 Zusammenfassung58
2 Zweiter Teil: Das Quattrocento. Die Rezeption der maniera tedesca von pauschaler Ablehnung bis hin zu ästhetisch begru¨ndeter Auseinandersetzung60
2.1 Die Bevorzugung der antiken heidnischen gegenüber der mittelalterlichen christlichen Kunst: Lorenzo Ghiberti60
2.2 Eine ›virtuelle Idealkunst‹ nach antikem Vorbild als Maßstab zur Beurteilung der Gotik: Leon Battista Alberti63
2.2.1 Albertis Auseinandersetzung mit der gebauten gotischen Architektur: S. Francesco in Rimini und S. Maria Novella in Florenz71
2.3 Die baukünstlerische Verbindung der beiden ›konträren‹ Stile und Filippo Brunelleschis Stilbewusstsein78
2.4 Der nationale Aspekt in der Geschichtsbetrachtung und in der Architekturtheorie: Antonio Manetti86
2.5 Eine erste ästhetisch begründete Ablehnung der Gotik: Der Architekturtraktat des Antonio Filarete98
2.6 Ein Plädoyer für die Gotik: Enea Silvio Piccolomini – Pius II.126
2.6.1 Enea Silvio Piccolominis Beurteilung der Deutschen128
2.6.2 Die Bewertung der gotischen Architektur aus dem Blickwinkel des Humanistenpapstes131
2.6.3 Der Papst als Bauherr eines ›gotischen‹ Domes: die Kathedrale von Pienza134
2.7 Zusammenfassung140
3 Dritter Teil: Das Cinquecento. Das entstehende Bewusstsein von der Historizität der maniera tedesca144
3.1 Der Architekt als Historiker und Bauforscher: Leonardo da Vincis Mailänder Gutachten147
3.2 Die strukturelle und stilistische Analyse eines gotischen Baus: Bramantes Stellungnahme zum Mailänder Dom160
3.3 Illustrationen und Regeln für einen gotischen Bau: Cesare Cesarianos Vitruv-Kommentar172
3.3.1 Das Bu¨rgertum als Rezipient von Cesarianos Vitruv-Ausgabe und seine Bedeutung als Träger der kommunalen Bauprojekte184
3.3.2 Die allgemeine Verbreitung der ästhetischen Grundsätze Vitruvs und der Theoretiker des Quattrocento189
3.4 Die Epocheneinteilung der Architekturgeschichte nach Baustilen: Raffaels Denkschrift an Leo X.199
3.5 Antiker Baustil für die Herren und Gotik für das Volk: Sebastiano Serlios Stilbewusstsein nach sozialen Kriterien222
3.5.1 Die Verwandlung der maniera tedesca in den Renaissancestil: Serlios Anekdote u¨ber das Haus des Geizhalses232
3.6 Die Vereinheitlichung der historischen Betrachtung des gotischen Stils: Giorgio Vasari238
3.7 Zusammenfassung250
4 Vierter Teil: Gotik in Bologna zur Zeit der Renaissance. Die Instrumentalisierung der maniera tedesca in historisierenden Entwu¨rfen als Symbol der bu¨rgerlichen Freiheit und zur Abgrenzung von Rom254
4.1 Ein ›gotisches‹ Stilproblem in der Renaissance: Die Basilika S. Petronio in Bologna254
4.2 Republikanisches Selbstbewusstsein zwischen den Machtansprüchen von Signoria und Papst: Die ›libertà cittadina bolognese‹262
4.3 Das Schaffen eines Wahrzeichens für das kommunale Selbstverständnis: S. Petronio, Kirche des Volks, nicht des Papstes269
4.3.1 Ein Gesetzesbeschluss in den Statuten der ›freien‹ Kommune: Die ›lex saluberrima‹269
4.3.2 Das Volk substituiert seinen Stadtpatron: St. Peter als der Heilige Roms und St. Petronius als Schutzheiliger Bolognas273
4.3.3 Die Grundsteinlegung zum gotischen Bauwerk: Ein Marmorblock mit dem Wappen der Kommune von Bologna278
4.4 ›Conformità‹ des gotischen Stils aus politischen Gründen: Versuche zur Vollendung des Kirchenbaus im Cinquecento280
4.4.1 Ein neuer Baustil in Bologna: Veränderung des ursprünglichen Modells unter Papst Julius II.284
4.4.1.1 Die Juliusstatue Michelangelos in Jacopo Della Quercias gotischem Portal286
4.4.1.2 Die Diskreditierung des päpstlichen Baustils durch den Protest der Bu¨rgerschaft291
4.4.2 Die Rückkehr zum Stil der freien Kommune: Die historisierenden Entwürfe298
4.4.2.1 Der Plan fu¨r die Fassade von Domenico Aimo da Varignana298
4.4.2.2 Baldassare Peruzzis Kompromissversuch zwischen den Anspru¨chen Roms und der Kommune304
4.4.2.3 Die gescheiterte Berufung Michelangelo Buonarrotis311
4.4.2.4 Die Erläuterung und Verteidigung des Entwurfs von Giacomo Vignola313
4.4.3 Der letzte Versuch zur Vollendung der Fassade im Cinquecento: Streit um die Pläne des Andrea Palladio321
4.4.3.1 Palladios schrittweise Annäherung an die gotische Bauweise321
4.4.3.2 Der erste Entwurf des venezianischen Baumeisters und seine Ablehnung durch Vertreter des Bologneser Volks329
4.4.3.3 Die päpstliche gegen die bu¨rgerliche Partei im Streit um Palladios Portikus335
4.4.4 Das Volk als Sieger im Streit um die Vollendung seiner Stadtpfarrkirche: Die Suche nach den gotischen Proportionen des Mittelschiffs am Ende des 16. Jahrhunderts339
4.5 Zusammenfassung347
Schlusswort: Die Rezeption eines Baustils zwischen Ablehnung und seiner programmatischen Anwendung350
Verzeichnisse356
Quellen356
Literatur366
Abbildungsnachweis400
Abbildungsverzeichnis401