1. KAPITEL
Sarah hörte gedämpftes Stimmengewirr, aber sie achtete nicht darauf, denn der Abgabetermin für das neue Layout rückte immer näher. Bis Mittag mussten die Seiten über die besten neuen Skiresorts fertig sein.Beguile war ein Hochglanzmagazin, das vor allem junge, moderne Frauen ansprach, und wenn sie nicht pünktlich lieferte, konnte sie sicher sein, dass Alexis Danvers ihr später beim gemeinsamen Lunch einen jener vernichtenden Blicke zuwerfen würde, für die sie in ihrer Branche wohlbekannt war.
Nicht, dass die Blicke ihrer Chefredakteurin auf Sarah großen Eindruck gemacht hätten. Wenn Alexis damit auch den anderen Mitarbeitern kalten Schweiß auf die Stirn trieb – Sarah und ihre Schwester waren bei einer Großmutter aufgewachsen, die anmaßende Personen jedweden Ranges mit einem Stirnrunzeln vernichten konnte. Nicht umsonst hatte sich Charlotte St. Sebastian einst in denselben Kreisen wie Fürstin Gracia Patricia und Jackie Onassis bewegt.
Doch diese glanzvollen Zeiten waren längst vorbei, das wusste auch Sarah. Während sie die Überschrift des Artikels von der Schriftart Futura in Trajan änderte, dachte sie daran, dass ihre Großmutter auch heute noch glaubte, gute Erziehung und unaufdringliche Eleganz würden einer Frau durch alle Schwierigkeiten helfen, die das Leben für sie bereit hielt.
Dieser Meinung war Sarah ebenfalls. Deshalb hatte sie sich auch ganz bewusst für einen schlichten, eleganten Stil entschieden – im Gegensatz zu den Leserinnen vonBeguile, die entschlossen waren, um jeden Preis mit der Mode zu gehen. Sarahs Vintageklamotten stammten teilweise aus dem Kleiderschrank ihrer Großmutter. Chanelkostüme und Kleider von Dior, die sie mit auffallendem Modeschmuck aufpeppte. Zu den Kostümjacken trug sie schwarze Hosen oder Jeans und Stiefel. Das Ergebnis war ein stylischer Retrolook, den selbst Alexis bewunderte.
Doch der wahre Grund für Sarahs ausgefallenen Modegeschmack war, dass sie sich die Designerschuhe, It-Bags und hochpreisigen Klamotten, die inBeguile angepriesen wurden, einfach nicht leisten konnte. Dazu waren die Arztrechnungen von Grandma viel zu hoch. Mittlerweile zeigten einige ihrer Kleidungsstücke auch Abnutzungsspuren, und sie hätte …
Das Stimmengewirr wurde lauter und schien näher zu kommen. Sarah hatte in den drei Jahren, die sie nun als Layouterin hier arbeitete, oft erlebt, dass Models die neuesten Entwürfe der Top-Designer direkt in der Redaktion präsentierten. Manchmal probierten auch die Makeup-Künstler und Friseure die Wirkung ihrer Kreationen an den Mitarbeiterinnen vonBeguile aus, die die spontanen Shows dann immer mit begeisterter Zustimmung kommentierten.
Heute allerdings schien noch etwas anderes in der Luft zu liegen. Prickelnde Erregung. Sarah fragte sich, ob die neuesten, perlenbestickten Schuhe von Jimmy Choo oder das Kleid von Versace tatsächlich so einen Aufruhr verdient hatten, und schwang auf ihrem Drehstuhl herum. Als sie aufblickte, schaute sie direkt in das Gesicht von Super Sexy Single Nummer drei.
„Ms. St. Sebastian?“
Seine Stimme war eiskalt, doch seine strahlend blauen Augen, das schwarze Haar und seine markanten Züge bewirkten, dass Sarah ein heißer Schauer durchlief. Alexis hat einen Fehler gemacht, als sie diesen Typ auf Nummer drei setzte, dachte sie. Auf der Liste der zehn attraktivsten Junggesellen der Welt, die das Magazin einmal im Jahr veröffentlichte, hätte er ihrer Meinung nach den ersten Platz verdient.
Die Künstlerin in ihr musste ihn unweigerlich bewundern. Er war mindestens einsneunzig groß, schlank und durchtrainiert, und trug einen maßgeschneiderten Anzug, dazu eine Seidenkrawatte. Doch sie war Profi genug, um seine kalte Begrüßung mit kühler Höflichkeit zu erwidern.
„Ja.“
„Ich will mit Ihnen reden. Und zwar allein.“
Sie folgte seinem Blick und sah mindestens ein Dutzend Kolleginnen, die mit mehr oder weniger offener Neugier über die halbhohen Zwischenwände des Großraumbüros spähten. Manchen kullerten schier die Augen aus dem Kopf.
Schade, dass Nummer drei schlechte Manieren hat, dachte sie, als sie sich ihm wieder zuwandte. Was fiel dem Typ ein? „Worüber möchten Sie mit mir sprechen, Mr. Hunter?“
Anscheinend überraschte es ihn ni