VIOLA
12. AUGUST 1948
Die üppigen Büsche mit dunkelgrünen, glänzenden Blättern und perfekt geformten Blüten zieren das breite Beet am Zaun, der das Grundstück zur Straße hin begrenzt. Gelb, rot, rosa, weiß sind die Blütenblätter. Groß und klein. Unterschiedliche Sorten, aber alle von einer Gattung. Auf dem Boden liegen verwelkte Rosenblätter, die in der Wärme langsam vermodern und einen süßsauren Geruch verbreiten.
Viola kriecht vorsichtig unter die Büsche, zwischen den dicken Stämmen windet sich ein Gang hindurch, wie ein Geheimgang, den nur sie kennt. Ihre nackten Knie schaben über die trockene Erde, die Dornen bleiben im Stoff ihres Sommerkleids und in den Haaren hängen, reißen Strähnen aus ihrem Pferdeschwanz.
»Hundert! Ich komme!«
Die Stimme lässt Viola erstarren. Sie hält die Luft an, kauert sich zu einem kleinen Ball zusammen und versteckt ihren Kopf zwischen den Knien. Ihr Herz pocht wie wild in ihrer Brust.
Sie hört klatschende Schritte, die vorbeirennen, dann auf einmal zurückkommen und sich erneut entfernen. Sie atmet erleichtert aus. Eine ganz Ewigkeit hat sie die Luft angehalten, zumindest hat es sich so angefühlt. Sie macht flache, schnelle Atemzüge, ihr wird ganz schwindelig davon. Dann atmet sie einmal tief ein und hält wieder die Luft an.
Plötzlich breitet sich ein dunkler Schatten über ihr aus, sie dreht den Kopf und sieht eine Hand, deren Zeigefinger auf sie gerichtet ist.
»Nein, tu es nicht!«, flüstert sie und schüttelt den Kopf.
Aber es ist schon zu spät. Die klatschenden Schritte kommen zurück, und Viola hört ein helles Kichern.
»Ich sehe dich! Gefunden, gefunden!«
Viola seufzt und kriecht rückwärts aus ihrem Geheimgang unter den Rosenbüschen. Die Dornen zerkratzen ihre Arme.
»Das macht keinen Spaß, wenn du immer schummelst, Lilly. Alvin hat dir mein Versteck verraten, ich habe es genau gesehen«, sagt sie beleidigt und klopft sich die Erde von den Knien.
Lilly blinzelt Alvin zu, der am Gartenpfosten lehnt. Er zwinkert und fährt sich mit der Hand durch sein glänzendes goldbraunes Haar. Die Ärmel seines weißen Hemdes sind hochgekrempelt, dazu trägt er eine leicht zerknitterte braune Leinenhose.
»Danke, danke.« Lilly hüpft kichernd auf und ab, dass ihre Haare nur so wippen.
Alvin sieht sie lächelnd an, sagt aber kein Wort. Dann, ohne jede Vorwarnung, reißt er die Arme in die Luft und wedelt mit den Händen. Viola kreischt laut auf und rennt davon, Lilly jagt ihr hinterher. So schnell sie ihre Füße tragen, stürmen sie über die Steinplatten des Gartenweges, weiter über den trockenen braunen Rasen. Einmal um die Flaggenstange herum und dann durch das kleine Loch im Gartenzaun in den Nachbargarten.
Ihre Schreie und ih