Die Busse in meiner Straße fahren seit Tagen leer an unserem Haus vorbei. Sie sehen unwirklich aus, wie etwas Artifizielles, gut Gemachtes aus einem japanischen Zeichentrickfilm, von einnehmender Echtheit und doch so surreal, als würden auch sie jetzt lange üben müssen, um wieder das werden zu können, was sie sind. Der Sonntagmorgen ist erfüllt vom Vogelgesang. Die Bäume erwachen wipfelweise in ihrem Grün. Es ist ein farbiger Segen für meine Augen. Die Natur übernimmt die Luft. Meine Gebete aus dem Jahrhundertsommer in der Zeit meiner Schwangerschaft, in der jedes unnatürliche Geräusch eine Qual war, sind also auf überraschende Weise erhört worden. Mein Bitten und auch einst ein verzweifelttrotziges Weinen – dass die Autos verschwinden und ich die Amseln, Spatzen und Spechte hören kann, war existenziell. Es tut weh, dass mir dieser Wunsch auf diese Weise erfüllt worden ist. Wie oft habe ich mir noch in den beiden Sommern davor meine Stadt als Pionierin vorgestellt, die mit der enormen visionären Energie vieler Freiwilliger die (nur noch in bürokratischen Abläufen denkenden) Politiker dazu bringen würde, die Autos aus den Wohngebieten zu verbannen, und an den Straßen Obststände und neue Cafés zu eröffnen, und andere urbane Lebensräume zu schaffen, die mit der Natur verbunden sind. Aber Berlin schafft es nicht einmal dann, neue Radwege anzupassen, wenn mehrere Menschen von Lastwagen immer wieder an einer Stelle überfahren werden und ihr Tod auf ein Umdenken pocht. Obststände hingegen sind wahrscheinlich im Vergleich zu den wirklich lebensnotwendigen Radwegen noch utopischer – was auf den ersten Blick keinen Nutzen verspricht, wird zynisch abgefertigt. Vor meinem inneren Auge tauchen bei diesem Gedanken jene ganz anders lebenden Aprikosenverkäufer auf, die ich vor vielen Jahren in Usbekistan auf der alten Seidenstraße zwischen Taschkent und Fergana ins Herz geschlossen hatte, ihre herrlichen Gewänder, bunt bestickt, die fröhlichen Brotverkäuferinnen, die sich selbst bei Minus fünfzehn Grad zu keinerlei Launenhaftigkeit hinreißen ließen und sich mit ihrer Kraft und Zielgerichtetheit in mich und mein Innenland einschrieben, als wären wir den Sprachen und Ländern zum Trotz, die uns trennten, für immer miteinander verbunden und verwandt. Heute weiß ich, dass wir über diese Verwandtschaft immer verfügen, dass sie unsere geistige Bestimmung ist und dass jede in Würde und Ehrlichkeit gelebte Kraft sich in uns vervielfacht und in anderen spiegelt, sich in alles einschreibt, dem wir begegnen. Es trennt uns nichts voneinander. Wir gehen einander in Gedanken und Taten voraus, und nun pflücken wir die Birnen, Kirschen und Pflanzen des gemeinsam erschaffenen Bewusstseins, auf das wir jetzt, in der Absonderung voneinander, intuitiv zurückgreifen, weil wir nicht mehr unruhig oder lustvoll oder hungrig oder sehnsuchtsvoll umherwandern und einander umarmen können.
Durch die Gitterstäbe der nach innen verlagerten Z