REALITY-CHECK: DIE ARGUMENTE DER SOCIAL-MEDIA-LEUGNER
Als Folge der COVID-19-Pandemie haben viele Wirtschaftstreibende verstanden, dass die Zukunft den digital gut aufgestellten Unternehmen gehört. Es kann trotzdem noch immer richtig überzeugend klingen, wenn dir Unternehmer und Manager der alten Schule erklären, warum sie die sozialen Medien nicht brauchen. Was ist dran an ihren Argumenten?
Denken wir an eine Herrenboutique in der Kölner Innenstadt und nennen wir sieBoutique A. Sie lebt von ihren Stammkunden, von Laufkundschaft aus den umliegenden Büros und von Touristen. In den vergangenen Jahren sanken die Umsätze und die Gewinne mit ein oder zwei Ausnahmen leicht, doch insgesamt kam der Besitzer derBoutique A immer ganz gut durch.
Er hofft auf das richtige Wetter zum richtigen Zeitpunkt, das beim niedergelassenen Modehandel immer eine Rolle spielt, auf seinen guten Instinkt bei der Auswahl seiner Kollektionen auf den großen Modemessen, darauf, dass irgendwann doch wieder mehr Menschen lieber analog einkaufen, als online zu shoppen, und dass es nie wieder Pandemien und Lockdowns gibt.
Einen Webshop hat er nicht, und auch sonst keinen digitalen Auftritt, abgesehen von einer kleinen Website mit seinen Öffnungszeiten. Seine Erfahrungen mit den sozialen Medien beschränken sich auf denFacebook-Account seiner Frau, die dort, nicht immer zu seiner Freude, Fotos von ihrem Golden Retriever Sammy, ihren Treffen mit ihrer erwachsenen Tochter Charlotte oder ihren Paddelausflügen zu den Stauseen im Bergischen Land postet.
Der Besitzer vonBoutique A hat einige Male darüber nachgedacht, sich einen Webshop anzuschaffen und sich mit den sozialen Medien zu befassen. Schließlich reden alle darüber, dass Daten das neue Gold sind. Eine Boutique ganz in seiner Nähe,Boutique B, hat beides getan und postet aus seiner Sicht wie wild eintreffende Schachteln mit den jeweiligen Modemarken darauf oder Details neuer Produkte. Doch er hält das für einen peinlichen Versuch,Amazon oderZalando Konkurrenz zu machen. In Wirklichkeit, vermutet er, hängen im Webshop vonBoutique B die digitalen Staubfäden von den Regalen.
Auch einige Branchenverbände empfehlen Unternehmern wie ihm inzwischen Webshops und Social-Media-Auftritte, das hat er mitgekriegt, aber seiner Meinung nach liegt das vor allem daran, dass die nicht wissen, was sie sonst in ihre Newsletter schreiben sollen. Dass das alles sehr viel Geld kosten würde, davon reden all die selbsternannten Wirtschaftspropheten jedenfalls nie. Wie er Follower findet und wie er Kunden in den Webshop lotst, das stand auch noch in keinem Newsletter. Geld ausgeben für etwas ist immer leicht, denkt er. Aber beim Geldeinnehmen wird’s halt schwierig.
Sein Publikum bewegt sich auch gar nicht in den sozialen Medien, denkt er, das ist nach den Kosten für die Digitalisierung seines Unternehmens der zweite von drei entscheidenden Punkte