: Elizabeth Taylor
: Mrs Palfrey im Claremont Roman
: Dörlemann eBook
: 9783038209843
: 1
: CHF 17.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
An einem verregneten Sonntag im Januar trifft die kürzlich verwitwete Mrs Palfrey im Claremont ein, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen soll. Ihre Mitbewohner - herrlich exzentrisch und unendlich neugierig - leben von Krümeln der Zuneigung und Schnipseln von Klatsch und Tratsch. Gemeinsam wehren sie, dank der berühmten britisch steifen Oberlippe, ihre größten Feinde ab: die Langeweile und den Tod.Eines Tages schließt Mrs Palfrey unerwartet Freundschaft mit dem mittellosen jungen Schriftsteller Ludo, der sie als Vorbild für seinen Roman verwendet. 'Eine großartige Autorin - das fehlende Bindeglied zwischen Jane Austen und John Updike.'Daniel Baddiel, The Independent

Elizabeth Taylor, geboren 1912 in Reading, lebte in Penn, Buckinghamshire. Sie war kurz Mitglied der KP, danach Anhängerin der Labour Party. Taylors erster Roman, At Mrs Lippincote's, erschien 1945. Elf weitere Romane, ein Kinderbuch und Kurzgeschichten folgten. Taylor befasst sich in ihren Werken vorwiegend mit den Facetten des Alltagslebens. 2007 verfilmte François Ozon ihren Roman Angel, der nun erstmals auf Deutsch vorliegt. Elizabeth Taylor starb am 19. November 1975. Im Dörlemann Verlag erschienen bisher die Romane Blick auf den Hafen (2011), Versteckspiel (2013), Angel (2018) sowie Mrs Palfrey im Claremont (2021), jeweils in der Übersetzung von Bettina Abarbanell.

Kapitel Eins

Mrs Palfrey zog an einem Sonntagnachmittag im Januar ins Claremont Hotel. Über London hatte es sich eingeregnet, und ihr Taxi schipperte auf der so gut wie verlassenen Cromwell Road an einem höhlenartigen, von Säulen getragenen Vordach nach dem anderen vorbei. Der Chauffeur fuhr langsam und streckte den Kopf zum Fenster hinaus, denn das Hotel war ihm unbekannt. Das hatte Mrs Palfrey etwas verstört, denn sie kannte es auch nicht und begann sich zu fragen, was sie erwartete. Sie versuchte, den Schrecken aus ihrem Herzen zu verbannen. Ihre drohende Bedrückung setzte ihr zu.

Wenn es dort nicht schön ist, brauche ich ja nicht zu bleiben, versprach sie sich, leicht die Lippen bewegend, während sie sich im Taxi vorbeugte, um auf der breiten, beängstigenden Straße von einer Seite zur anderen zu schauen, und beinahe fürchtete, den Namen Claremont über einem der Vordächer zu lesen. Es gab so viele Hotels an dieser Straße, eins neben dem anderen, und alle sahen im Grunde gleich aus.

Sie war ganz zufällig auf eine Anzeige in der Sonntagszeitung gestoßen, als sie bei ihrer Tochter Elizabeth in Schottland zu Besuch gewesen war. Herabgesetzte Winterpreise. Hervorragendes Essen. Das dürfte wohl mit Vorsicht zu genießen sein, hatte sie gedacht.

Schließlich bremste das Taxi ab. »Claremont Hotel« las sie, denkbar deutlich, in großen Buchstaben quer über eine Häuserfront hinweg, die aus zwei – vielleicht sogar drei – großen, zu einem einzigen vereinten Gebäuden zu bestehen schien. Sie atmete auf. Die Säulen des Vordachs waren unlängst gestrichen worden; in den Blumenkästen wuchsen Japanische Aukuben; saubere Gardinen – eine Fassade ausdrücklicher Anständigkeit.

Sie wuchtete sich aus dem Taxi und ging, auf ihren mit Gummikappe versehenen Spazierstock gestützt, über den Bürgersteig und ein paar Stufen hinauf. Ihre Krampfadern machten ihr heute zu schaffen.

Sie war eine hochgewachsene Frau mit großen Knochen und einem feinen Gesicht, dunklen Augenbrauen und säuberlich gefaltetem Doppelkinn. Sie hätte einen vornehmen Mann abgegeben, und manchmal, in Abendgarderobe, sah sie aus wie irgendein berühmter General in Frauenkleidern.

Gefolgt von dem Chauffeur und ihrem Gepäck (denn aus dem Hotel kam kein Lebenszeichen), kämpfte sie mit der Schwingtür und taumelte fast in das stille Foyer hinein. Die Dame an der Rezeption war von kühler Freundlichkeit, so als sei dies ein Pflegeheim, noch dazu eins für Geistesverwirrte. »Was für ein Tag!«, sagte sie. Der Taxifahrer, der mit den Koffern hinterhergetrampelt kam, wirkte in dieser gedämpften Atmosphäre fehl am Platz und wurde sofort von einem Portier abgelöst. Mrs Palfrey öffnete ihre Handtasche und suchte sorgfältig einige Münzen heraus. Sie tat alles ohne Eile, fast gebieterisch. Sie hatte sich immer zu benehmen gewusst. Selbst als Braut unter seltsamen, beunruhigenden Bedingungen in Burma war sie großartig gewesen: gelassen, als sie (zum Beispiel) über Hochwasser zu ihrem neuen Heim gerudert wurde; unerschüttert, als sich zeigte, dass es mehr als feucht war und eine Schlange sich zur Begrüßung um das Treppengeländer gewunden hatte. Mrs Palfrey hatte das Kreuz durchgedrückt und sich ins Gebet genommen, genauso wie heute Nachmittag im Zug.

Trotz langer Übung stellte sie fest, dass solche Entschlossenheit ihr neuerdings schwerer fiel. Als junge Frau hatte sie ihrem gerade erst geehelichten Mann, den sie bewunde