1. KAPITEL
Es gab nichts Schlimmeres, als sich in Texas zu verirren.
Und das auch noch im August.
Kris Demetrious lehnte sich im Fahrersitz seines leuchtend gelben Ferrari zurück, zog sich das durchgeschwitzte Hemd aus und klappte sein Handy auf. Er hatte eine neue Straßenkarten-App auf sein Handy geladen, doch die Linien auf dem Bildschirm hatten keinerlei Ähnlichkeit mit der Straße vor seinen Augen. Lektion des Tages – digitale Straßenkarten halfen nur, wenn sie genau waren.
Der Ferrari verfügte zwar über einen MP3-Anschluss, aber über kein GPS-System. Entweder verfuhren sich italienische Autobauer nie oder es war ihnen egal, wo sie ankamen.
Die Landschaft war in jede Himmelsrichtung von Bergen umschlossen, doch anders als in L. A. gab es keine Straßenschilder, keine Villen, kein Riesenschriftzug von „HOLLYWOOD“, nichts, woran man sich hätte orientieren können.
Am Filmset fand er sich zurecht. Dort besaß er einen sicheren Platz hinter der Kamera, und wenn die Szene nicht so lief, wie er es wollte, musste er bloß „Cut“ rufen und konnte von vorn beginnen.
Wie zum Teufel war er auf den Gedanken gekommen, nach Dallas zu fahren statt zu fliegen?
Eine Verzögerungstaktik, darauf lief es wohl hinaus.
Zwar verspürte er keinen dringenden Wunsch, in der Wüste zu sterben, doch seinen Zielort wollte er auch nicht erreichen. Wenn er nur Wasser und Essen auftreiben könnte, dann hätte er nichts dagegen, noch eine Weile verschollen zu bleiben. Denn sobald er Dallas erreichte, musste er seine Verlobung mit Publikumsliebling Kyla Monroe bekannt geben.
Er schob sein Handy in die Tasche zurück. Die Nachtmittagssonne brannte erbarmungslos auf ihn nieder, und das tausendmal heißer, zumal er auch noch Schwarz trug. Die Hitze flimmerte auf dem Asphalt und ließ den Horizont vor seinen Augen verschwimmen.
Genau in diesem Moment wirbelte eine Staubwolke hoch. Es war die erste Bewegung, die er in den letzten fünfzehn Minuten wahrgenommen hatte. Ein rostiger, orangefarbener Pick-up-Truck fuhr mitten durch die Staubwolke und kam dicht hinter dem Ferrari zum Stehen. Sand peitschte Kris ins Gesicht. Er strich sich das Haar zurück und ging seinem Retter entgegen.
Tatsächlich hätte er, wenn ihm das Benzin ausging, tagelang hier festsitzen können. Mit nichts als einem Smartphone und einer spiegelnden Sonnenbrille, um die Geier in Schach zu halten. Er hatte sich wirklich gründlich verirrt, doch mit ein bisschen Glück würde der Truckfahrer Kris erklären können, wie er zurück auf den Highway kam.
Einen Moment später öffnete sich die Fahrzeugtür mit einem Quietschen, und Licht fiel auf den verblassten Schriftzug des orange lackierten Trucks.Big Bobbys Autowerkstatt, seit 1956 zu Ihren Diensten. Zuerst sah er rissige, staubige Stiefel, dann legte sich der Staub, und die schmale Gestalt eines Mädchens kam zum Vorschein. Sie wirkte kaum alt genug zum Fahren und war aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Big Bobby.
„Probleme mit dem Wagen, Chef?“, fragte sie, während sie auf ihn zukam. Beim Sprechen dehnte sie die Vokale. Ihr Texasdialekt war schwer wie der Straßenstaub, trotzdem hatte ihre Stimme einen melodischen Klang. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab, und einen Moment lang stand die Welt still. Die erbarmungslose Hitze, die fehlenden Straßenschilder und die Probleme, die ihn in Dallas erwarteten, schwanden aus seinem Kopf.
Klare, blaue Augen blickten aus einem herzförmigen Gesicht zu ihm auf. Volles, zimtbraunes Haars lockte sich um ihre Porzellanwangen. Auf ihrer Haut war keine Spur von Make-up zu sehen. Das Sonnenlicht tauchte ihr Gesicht in einen warmen Glanz. Wie eine lebende Sonnenblume sah sie aus. Frisch, unschuldig und atemberaubend schön. Am liebsten hätte er sie gefilmt.
Sie sah ihn fragend an.„Problema con el coche, Señor?“
Kris klappte den Mund