1. KAPITEL
„Guten Tag, Miss Kerri. Zu Beginn unseres Gesprächs möchte ich Ihnen dieselbe Frage stellen wie den anderen sechs Bewerberinnen vor Ihnen auch. Wieso glauben Sie, für die Stellung, die ich zu vergeben habe, besonders geeignet zu sein?“
Trotz ihrer Nervosität blieb Liza überrascht mitten in dem großen Hotelzimmer stehen und sah auf den Mann, der in einem Drehsessel saß und ihr den Rücken zuwandte.
„Nun?“ Die tiefe, sonore Stimme klang auf arrogante Weise geduldig, doch Liza hatte ein feines Gehör. Der leichte Anflug von Gereiztheit entging ihr nicht. Zornesröte stieg ihr in die Wangen.
Was für ein unverschämter Kerl! Konnte er sich nicht umdrehen und sie ansehen, wenn er mit ihr sprach? Während sie im Unterbewusstsein die elegante Ausstattung des Zimmers registrierte, suchte Liza nach einer passenden Antwort. Sie brauchte diesen Job zwar, aber so dringend nun auch wieder nicht. „Ich käme nie auf die Idee, Ihr Urteil über mich durch eine eigene Beschreibung meiner Fähigkeiten beeinflussen zu wollen, Señor de Rojas“, erwiderte sie kühl und beherrscht. „Ich denke, meine Unterlagen liegen Ihnen vor. Wenn Sie alles Weitere bitte daraus entnehmen wollen. Es reicht mir völlig aus, meine Zeugnisse für mich sprechen zu lassen.“
Eine Weile herrschte Stille im Raum. Dann drehte sich der Mann so um, dass Liza sein Profil sehen konnte. „Und wenn mir das nicht ausreicht?“
Sie hob den Kopf. „Ich bin natürlich gern bereit, Ihre Fragen zu den Punkten zu beantworten, über die Sie sich nicht ganz im Klaren sind.“ Das war ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass sie nicht gewillt war, sich von ihm einschüchtern zu lassen.
Liza sah, wie er die breiten Schultern straffte. Das war es dann wohl, sie hatte die Sache endgültig verpatzt. Nun, daran war sie selbst schuld. Die Agentur hatte sie vorgewarnt, er sei ein äußerst schwieriger Kunde, bei dem Vorstellungsgespräche eher Ähnlichkeit mit einem Verhör hatten. Die Agentur Swifte hatte einen ausgezeichneten Ruf. Sie vermittelte nur hoch qualifizierte Nachhilfelehrer und Gesellschafter. Es war noch nie vorgekommen, dass eine ihrer Lehrkräfte abgelehnt worden war. Dieser Mann hingegen hatte bereits sechs Bewerberinnen abgelehnt.
„Ich verstehe.“ Seiner dunklen Stimme war keinerlei Emotion anzumerken, und noch immer sah er Liza nicht direkt an. „Der Ball ist also wieder bei mir gelandet.“
Sie biss sich auf die Unterlippe. Mit solch einer Antwort hatte sie nicht gerechnet. Sie wusste nicht genau, was sie darauf sagen sollte. Abgesehen davon, war es nicht gerade angenehm, dass er an einem großen Schreibtisch im Halbschatten saß, während sie im hellen Schein der Deckenlampe stand. Sie hätte nach dem Eintreten ins Zimmer sofort geradewegs zum Schreibtisch gehen sollen, dann wäre sie wenigstens in der Lage gewesen, den Mann zu sehen, mit dem sie sprach. In ihrer jetzigen Position befand sie sich eindeutig im Nachteil.
„Würden Sie bitte Platz nehmen?“ Es war, als habe er ihre Gedanken gelesen.
Liza nickte und ließ sich ihm gegenüber im Sessel nieder. Aus der Nähe musste sie feststellen, dass sein Profil faszinierend war. Er hatte eine kühne, markante Nase, seine Haut war gebräunt und sein Haar pechschwarz.
„Also gut.“ Er wandte ihr ganz langsam das Gesicht zu, und Liza bemerkte erschrocken die lange helle Narbe, die sich von seinem linken Auge bis hinab zu seinem Kinn zog. Bei jedem anderen hätte sie entstellend wirken können, doch diesem dunklen attraktiven Gesicht verlieh sie einen verwegenen, beinahe piratenhaften Touch, der unbestreitbar sinnlich wirkte. Liza stockte der Atem. Sie sah den Mann aus großen grauen Augen verwirrt an.
„Stört es Sie, Miss Kerri?“ Flüchtig berührte er die Narbe, ohne den Blick von Liza zu wenden. Sie begriff, dass sein bisheriges Verhalten nur auf diesen Moment ausgerichtet gewesen und dass seine Geste nicht instinktiv, sondern durchaus kalkuliert war. Er musste einen furchtbaren U