: Joseph Vogl
: Kapital und Ressentiment
: Verlag C.H.Beck
: 9783406769542
: 1
: CHF 10.70
:
: Wirtschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 226
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'DER KLÜGSTE MANN, DER MIR JEMALS BEGEGNET IST.' ROGER WILLEMSEN
Es zieht sich eine Spur der Zerstörung von der Herrschaft der Finanzmärkte über die neuen Netzgiganten bis hin zur dynamisierten Meinungsindustrie. Auf der Strecke bleiben dabei Demokratie, Freiheit und soziale Verantwortung. Joseph Vogl rekonstruiert in seiner brillanten Analyse, wie im digitalen Zeitalter ganz neue unternehmerische Machtformen entstanden sind, die unser vertrautes politisches Universum mit einer eigenen Bewertungslogik überschreiben und über nationale Grenzen hinweg immer massiver in die Entscheidungsprozesse von Regierungen, Gesellschaften und Volkswirtschaften eingreifen.
Drei Thesen zum gegenwärtigen Zeitalter enthält das neue Buch von Joseph Vogl, der seit seinem Bestseller 'Das Gespenst des Kapitals' zu den interessantesten Wortführern einer neuen Generation von Kapitalismuskritikern gehört. Erstens: Der Internet- und Plattformkapitalismus der Gegenwart (von Amazon bis Google) ist die jüngste Metamorphose eines Finanzregimes, das sich in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und die Bewirtschaftung von Informationen als attraktive Quelle der Wertschöpfung erkannt hat. Zweitens: Diese Fusion von Finanzökonomie und Kommunikationstechnologien etabliert neue Paradigmen der Macht, deren Resultat fragmentierte Öffentlichkeiten, gesellschaftliche Schismen und Demokratieverlust sind. Drittens: Affektökonomien mit dem Treibstoff des Ressentiments stabilisieren die Dominanz dieses neuen Plattformkapitalismus auf Kosten des Gemeinwohls.

Joseph Vogl ist Professor für Neuere deutsche Literatur, Literatur- und Kulturwissenschaft/Medien an der Humboldt-Universität zu Berlin und Permanent Visiting Professor an der Princeton University. Sein letztes Buch"Der Souveränitätseffekt" war 2015 für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik nominiert.

2. Kapitel

Informationsstandard – zur Episteme der Finanzökonomie


Die Voraussetzung solcher Wertschöpfung sowie die Dominanz des modernen Finanzregimes lassen sich allerdings nicht ohne die Symbiosen und Konvergenzen zwischen Finanzkapital und Informationstechnologien erklären. Von spätmittelalterlichen Kaufmannsbriefen bis zur Entstehung von Nachrichtenagenturen hat man die enge Verflechtung von Handelsgeschäften und Zeitungswesen dokumentiert, und insbesondere die Dynamik des Banken- und Börsenverkehrs hat sich stets in Abhängigkeit von medialen Infrastrukturen definiert. Der finanzökonomische Einsatz von Postreitern oder Brieftauben, von optischen oder elektromagnetischen Telegrafen war der Suche nach marginalen Vorsprüngen an Marktinformationen geschuldet und hat sich in der Überlagerung von Finanz- und Pressemetropolen sowie in der Neigung zu technologisch getriebener Beschleunigung manifestiert. Es waren vor allem Bankiers, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts neue Telegrafenlinien zwischen Finanzzentren finanzierten, deren Hauptnutzer wurden, bisweilen gegen Staatsmonopole opponierten, den Handel mit Geschäftsnachrichten forcierten, die Kanäle mit Wirtschafts- und Börsendaten beschickten und damit zwischen vierzig und sechzig Prozent des gesamten Telegrafenbetriebs belegten. Bis hin zur Verlegung von submarinen transatlantischen Glasfaserkabeln um die Jahrtausendwende waren es finanzökonomische Beschleunigungsbedürfnisse wie der Hochfrequenzhandel, welche den Ausbau globaler Netzwerke vorangetrieben haben.[1]

Dabei sind es wiederum die 1970er Jahre gewesen, in denen die Finanzmärkte durch einen konjunkturellen Zusammenschluss von Wirtschaftsinformation und In