: Sophie Reyer
: 1431 Roman
: Czernin Verlag
: 9783707607277
: 1
: CHF 18.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Johanna von Orléans, Märtyrerin und französische Nationalheldin, wird 1431 als englische Gefangene in Rouen hingerichtet. Ungemein feinfu?hlig und präzise schreibt Sophie Reyer u?ber das Leben der heiligen Jungfrau, ihr Erwachsenwerden und ihren Niedergang. Johanna wächst während des Hundertjährigen Krieges in einem kleinen französischen Dorf auf. Bereits als junges Mädchen hat sie Visionen, die sie immer stärker prägen, bis sie dem Fanatismus verfällt. Johanna weiß, dass sie aus dem traditionellen Frauenbild ausbrechen und in den Krieg ziehen muss. Doch sie gerät in einen Strudel aus Hinterlist und Verrat, aus dem sie nicht mehr herauskommt. Kurz vor ihrer Hinrichtung trifft sie schließlich auf Nicolas Loyseleur, ihren vermeintlichen Beichtvater. Dieser soll ihr ein Geständnis entlocken, wird aber selbst immer tiefer in ihren Bann gezogen. Mit viel Fingerspitzengefu?hl beschreibt Sophie Reyer Johannas Leben - die Entwicklung einer starken, jungen Frau, die den konventionellen Erwartungen widerspricht und ihr Leben selbst bestimmt.

Sophie Reyer, 1984 in Wien geboren, promovierte Philosophin, arbeitet am Institut fu?r Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Sie schreibt Prosa, Lyrik und Theatertexte fu?r Erwachsene und Kinder, zuletzt 'Zwei Königskinder' und 'Die Freiheit der Fische'. Diverse Preise und Stipendien, 2019 mit 'Mutter brennt' auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises.

1. Kindheit


Man hat sie angeklagt. Der Ketzerei beschuldigt. So wird es ihm erzählt. Sofort ist er Feuer und Flamme für den Fall. Wer mag sie sein, diese Johanna? Dieses Mädchen mit der trotzigen Schönheit, das sich als Heilige ausgibt, als wäre so etwas selbstverständlich? »Könnt Ihr euch vorstellen, euch als einer ihrer Verbündeten auszugeben?«, fragt der Bischof und sein Unterkinn labbert dabei. Loyseleur verachtet ihn insgeheim. Der Bischof widert ihn an wie all die Gelehrten, die so tun, als läge ihnen etwas an der Religion, und die doch in Wahrheit nur ihre Machtspiele spielen. Doch er nickt. Nimmt das Angebot an. Er will das Geheimnis dieser Frau herausfinden, die kaum älter ist als ein Kind. Und ja: Die Kindheit scheint dieser Johanna wichtig zu sein. Von einem Feenbaum ist bei dem Verhör die Rede und von einem Heiratsversprechen, das sie Gott gegeben haben mag, dort, am Fuße des Baumes. Man dringt also in Johanna in den ersten Verhandlungen. Fragt sie aus.

Das Mädchen hält sich wacker. Bietet den Gelehrten die Stirn in ihren flammenden Reden, die von Engeln beflügelt zu sein scheinen. Dann verfrachtet man Johanna in ihr Gefängnis. Der Bischof wirft Loyseleur einen verstohlenen Blick zu. Es ist sein Signal, und er versteht. Er folgt der Magd, lautlos wie ein Schatten. Folgt ihr in den Turm, in dem man sie gefangen halten wird. Eng ist dieser und