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Geht der Bleimfeldner Karl, geht er die Ortsstraße hinan, vom Bleimfeldnerhaus, wo der Vater ein Schuster und er schon gar nicht mehr wirklich daheim, weil er doch lang schon fort.Ein Studierter, der Bleimfeldner Karl, aber trägt das Zuhaus noch in sich, samt Schustervater und Näherinmutter, kleinbürgerlich die Sippschaft allesamt.Ganz bist ja nie weg, auch wennst nimmer da, denkt sich der Karl und spürt so etwas wie eine Verwurzelung, erstmals vielleicht.
Jetzt muss er an das Gespräch von gestern Abend denken, als er angekommen ist. Die Mutter beim Tisch in der Kuchl,weißt, Karl, ist halt nimmer wie früher, und sie hat dabei zum Fenster rausgeschaut, wo drüben beim Platzer die Dorfjugend auf ein Bier, den Hitlergruß ganz artig und musterhaft vorführend,lächerlich, denkt der Karl. Die gleichen Burschen haben vor Kurzem noch artig und musterhaft den Herrgott beschworen.Nimmer wie früher, wiederholt die Mutter, und setzt fort, weilwichtig ist, egal was kommt, die Familie. Schaut in die Runde, mit Mutteraugen, war da eine Angst? Angstmutteraugen schauen in Angstvateraugen. In Angstschwesterhänden blitzt ein Messer,willst ein Brot, Karl?
Egal also was kommt, denkt sich der Karl, den Abend von gestern im Kopf, und geht jetzt schon auf Höhe Baronteich, da ist einst die erste seiner Schwestern, lang lang ist’s aus, die ist da hinein, in der Nacht, und nimmer raus. Das Kind konnt nicht schwimmen, eine Tragödie. So kommt ihm seine Verwurzelung recht schwerwiegend vor, und schwer muss er atmen.Als würden’s mich nach hinten ziehen wollen, die Heimatwurzeln, mich festhalten: Tu’s nicht! Palmsonntag, April 1938, und der Ort ist geschmückt.
Da stellt sich wer in den Weg,servus Karl. Und der Karl schaut rein, ins Gesicht von der Kern Cilli.Gar nicht bei der Mess, Karl? Die Kern Cilli, einen Kopf kleiner, aber heut in einer Aufgerichtetheit.Hab gehört, hast was Dummes vor, hast doch nix Dummes vor, bist doch nicht dumm, und die Worte haben was Anmaßendes, heut redet die Kern Cilli, als würd sie in die Höhe schießen, weil sie ja die Tochter vom neuen Bürgermeister, der ja auch ein Hochgeschossener