Lena arbeitete als Altenpflegerin. Sie war nicht diplomiert und machte ihren Job nur so. Wie sie später dem András erzählen sollte: »Meine erste Stelle hatte ich bei einer alten Dame in der Inneren Stadt. Ich musste ihr fast jeden Tag aus den Liebesbriefen vorlesen, die sie als junge Schönheit einmal bekommen hat. Wir saßen so da am Fenster, ich ihr gegenüber, drunten der Verkehr. Da hat sie geweint – und ich bald mit ihr, was vielleicht dumm von mir war. Aber schön war es.« Dann setzte Lena gern mit verstellter Stimme nach: »Machen Sie mir bitte eine neue Windel, Frau Lena! So hat die alte Dame nach dieser Vorleserei öfter gesagt. Ich musste sie ja wickeln. Schließlich, sie war über neunzig! Sie hat mir dann eine Menge Kleider vermacht – aber was hätte ich damit schon anfangen sollen?«
Für gewöhnlich war Lena nicht sehr gesprächig. »Das Schweigen und Stillhalten hab ich mir im Beruf angewöhnt. Schließlich reden die Angehörigen laufend herein, die regen sich auf: Machen S’ dies, machen S’ das, Lena! – Da sagst du am besten gar nichts und arbeitest weiter. – Haben S’ das schon gemacht, Lena? Und jenes? – Gehst du für die alten Leute auch einkaufen, heißt es: Sie waren doch gestern erst einkaufen! Wer isst denn die vielen Semmeln, wer trinkt denn so viel Kaffee – und so weiter: Ich kann dir vielleicht ein Lied singen! Wie geizig und kleinlich manche Leute sein können.«
Lena stammte aus der Steiermark her, aus einer Ortschaft im Süden, an der slowenischen Grenze. Die Kirche am Ende der Hauptstraße war das einzige Gebäude, das da aus der Reihe tanzte: Alle anderen Gebäude glichen einander aufs Haar. Mit dem sonntäglichen Kirc