Wir haben Lust, uns in Eigenregie um die Erfüllung unserer Wünsche zu kümmern. So kochen wir uns etwas, wenn wir Hunger haben, gehen unter Menschen, wenn wir uns einsam fühlen. Doch gibt es auch Wünsche, von denen wollen wir, dass sie jemand anderes für uns erfüllt, im besten Falle ohne eigens darum bitten zu müssen. Es sind unsere sogenannten passiven Wünsche.
Jeder hat sie, und sie sind ganz normal. Schwierig wird es erst in Lebenslagen, in denen wir uns unentwegt selbst um alles kümmern müssen. Entweder ist niemand da, der uns hilft oder mal umsorgt, die andere Person hat keine Ahnung oder ist zu einfältig, um unsere mehr oder weniger verborgenen Wünsche nach Unterstützung und Fürsorge zu erahnen. Wenn wir die Erfüllung solcher Wünsche jedoch einklagen müssen, verfehlt das unser Bedürfnis zu erleben, dass sich jemand in uns hineingefühlt hat, weil wir ihm wichtig sind.
Irgendwann gibt es einen problematischen Zeitpunkt, an denen sich die vergeblich nach Einfühlung und Fürsorge sehnenden Wünsche innerlich querstellen und jede eigene Aktivierung sabotieren. So können wir zum Beispiel, nachdem wir über Monate hinweg einzelkämpferisch an unserer Abschlussarbeit geschrieben haben, plötzlich eine massive Arbeitsblockade entwickeln, sollte uns in dieser Zeit zu selten einmal jemand Kaffee kochen, uns bemitleiden oder zu einer kurzen Zerstreuung einladen.
»Mein Mann hat mir noch nie Blumen mitgebracht.« Angela L. versuchte ein Lächeln. Die anderen hatten sie heute ausgewählt, weil sie bisher in der Gruppe eher still gewesen war und keiner so recht wusste, was sie überhaupt herführte. Sie wirkte schüchtern, aber auch mitfühlend. Sie trug unauffällige Kleidung, ihre Brillen waren farblich darauf abgestimmt. In ihrem warmherzigen Blick fühlte man sich aufgehoben.
Sie sei sehr unglücklich in ihrer Ehe, erklärte sie uns, obwohl es eigentlich keinen Grund gebe. Die Tochter sei aus dem Haus, und materiell gehe es ihr sehr gut. Die gemeinsame Firma, in der sie die Buchhaltung mache, laufe hervorragend. Dennoch fehle ihr etwas. Zum Beispiel bekäme sie an Geburtstagen nie etwas geschenkt. Ein entsetztes Raunen ging durch die Gruppe.
»›Wir haben doch alles‹, sagt er immer.« Frau L. blickte auf ihre Hände hinab, als sei es ihr peinlich, dass ein fehlendes Geburtstagsgeschenk das Glück ihrer Ehe zerstörte.
»Aber doch wenigstens Blumen?«, erkundigte sich ihr Sitznachbar Andreas H.
Angela L. schüttelte den Kopf. »Nein, die gab es in den 27 Jahren unserer Ehe noch nie.« Sie flüsterte fast, und alle in der Gruppe schenkten ihr mitfühlende Blicke.
»Vielleicht müssen Sie ihm das einfach mal sagen«, meinte schließlich Andreas H., dessen Probleme wir bereits in der Runde diskutiert hatten und der während der letzten Wochen immer besser gelernt hatte, für seine Wünsche einzutreten und sie auszudrücken, worin das erklärte Ziel dieser Gruppe bestand.
»Nein, so was kann ich nicht. Ich hab ihn noch nie um Blumen gebeten.« In Angela L.s Stimme schwangen Stolz und Trauer gleichermaßen.
»Und wenn Sie es einmal versuchen?«, hakte Herr H. nach. »Was würde Ihr Mann dann sagen?«
Angela L. dachte kurz nach und wischte dabei mehrfach mit der Hand übers Hosenbein, als würde sie Krümel wegfegen. »Das ergibt einfach keinen Sinn. Wenn ich meinen Mann bitten würde, mir Blumen mitzubringen, würde er nur fragen, welche Sorte ich wolle, und am nächsten Tag stünden sie auf dem Tisch. Aber darum geht es mir doch gar nicht.«
»Ich glaube ebenfalls, dass es Ihnen nicht um die Blumen geht«, sagte ich, »die könnten Sie sich viel gezielter selbst kaufen. Wissen Sie denn, worum es Ihnen tatsächlich geht? Sonst könnten wir das auch im Dienste der Gruppe, der es vielleicht ganz ähnlich geht, gemeinsam ergründen.«
Angela L. musste nicht lange überlegen. »Es geht mir darum, dass er sich endlich mal fragt, was ich eigentlich will und brauche. Immer nur dreht sich alles um ihn oder die Firma. Nie um mich!«, entfuhr es ihr heftiger, als sie offenbar wollte,