1. Kapitel,
in welchem eine gütige Lehrerin
an das Gute im Menschen glaubt und
leider nur Liptauer-Käse auf den Schulbroten ist.
Pauli Pistulka, elf Jahre und drei Monate alt, von seinen Freunden Pudding-Pauli oder einfach bloß Pudding genannt, hockte schläfrig hinter seinem Pult in der 2a und versuchte erfolglos, nicht laut zu gähnen.
„Haben der werte Herr Pistulka wohl wieder einmal bis nach Mitternacht ferngesehen?“, fragte die Dr. Krautsack, die für Rügen merkwürdigerweise stets die dritte Person Mehrzahl wählt.
„Haben nicht“, antwortete der Pauli und wischte sich ein paar Gähn-Tränen aus den Augen. „Leiden bloß unter Sauerstoffentzug mangels Frischluftzufuhr!“
Der Pauli liegt nämlich mit der Dr. Krautsack im Fenster-Dauerzwist. Er reißt in der Pause alle Fenster auf, sie marschiert in die Klasse ein und ordnet sofortiges Schließen aller Fenster an.
Wegen des Straßenlärms und der Genickstarre erzeugenden Zugluft und der Gefahr eines Fenstersturzes eines unachtsamen Schülers. Die Dr. Krautsack setzte zu ihrem üblichen Vortrag über eingebildeten Sauerstoffmangel an, da schrillte die Pausenglocke. Und eine lobenswerte Angewohnheit hat die Dr. Krautsack jedenfalls: Sie beendet den Unterricht beim ersten Pausenglockenton.
Der Pauli wollte aufstehen, um die Fenster zu öffnen, doch die Rosi, sein Pult-Co, hielt ihn zurück und raunzte: „Pudding, jetzt lass die blöden Fenster, mein Magen knurrt wie ein Kampfhund!“
Der Pauli seufzte, holte seinen Rucksack aus dem Pultfach und aus dem eine telefonbuchgroße Plastikdose, und aus der zwei adrette Leinensets, zwei Servietten und zwei Alufolien-Pakete.
Die Rosi schälte eine Schnitte Bauernbrot, bestrichen mitLiptauer-Käse, verziert mit Paradeiserscheiben, Mini-Maiskolben und Gurkenfächern aus der Alufolie und betrachtete sie etwas enttäuscht.
„Immer Wurst macht Gicht und Gicht ist eine schreckliche Geißel der Menschheit.“ Der Pauli schob der Rosi ein Leinenset und eine Serviette hin. „Über diesen Super-Spezial-Liptauer kannst echt nicht motzen, den habe ich heute in der Früh selber händisch gerührt, mit Butter und allem Drum und Dran und dazu noch ein winziges Häuchlein Tabasco!“
Die Rosi biss von ihrem Liptauerbrot ab und murmelte lustlos kauend: „Macht sicher einen schönen Teint!“
Der Pauli und die Rosi haben seit einem Jahr ein Abkommen: Der Pauli versorgt die Rosi von Montag bis Freitag mit Pausenbroten oder anderen Jausen-Schmankerln und mit einem warmen Mittagessen, dafür schreibt ihm die Rosi alle Mathe-Hausübungen. In perfekt nachgemachten Pauli-Ziffern und Pauli-Buchstaben. Ein Abkommen nach dem Motto: Jeder tut, was er am besten kann. Und an Rosis getürkten Hausübungen ist genauso wenig auszusetzen wie an Paulis Futter.
Früher hat der Pauli nur hin und wieder gekocht, wenn es ihm Spaß gemacht hat, und m