Kapitel 1
Marenko Barak liebte Fisch ‒ keinen gegrillten, keinen gekochten, sondern rohen Fisch. Seitdem er vor einpaar Jahren bei einem Besuch in Suizei zum ersten Mal in seinemLeben Sushi gekostet hatte.
Eine entfernte Verwandte hatte dorthin geheiratet und derBürgermeister von Verinot, der für seine Neugierde bekanntwar, hatte die Reise gerne auf sich genommen, um nach demRechten zu schauen, wie er im Kreise seiner Freunde kundgetanhatte.
Seine Frau Sara hatte ihn nicht begleiten wollen. Vor derAbfahrt hatte sie noch zu ihm gesagt: »Du kennst Isabel dochkaum. Du hast sie nur zweimal gesehen, als sie noch ein Kindwar, und jetzt musst du unbedingt dorthin? Du willst dir wirklichdiese lange Reise antun? Dir ist nicht mehr zu helfen …«
Und hatte noch mit einem Lächeln hinzugefügt: »Du Neugiernase.« Sie wusste genau, dass sie ihren Mann nicht aufhaltenkonnte, und in diesem Fall passte es ihr auch gut, denn sowürde sie Zeit haben, die Inneneinrichtung des Hauses umzugestalten,ohne dass er ihr ständig hineinredete. Ihre Geschmäckerwaren in dieser Beziehung sehr verschieden.
Sie hatte kürzlich in einem Möbelgeschäft eine Couchgarniturentdeckt, die es ihr auf den ersten Blick angetan hatte.
Die sollte es sein, hellbraun und aus weichstem Maroquinleder,einer Ziegenart aus den südlichen Steppengebieten.
Außerdem waren gerade wieder bunte Tapeten angesagt. Allezwei bis drei Jahre renovierte, strich, kaufte oder stellte sieMöbel um ‒ immer dann, wenn Marenko auf Reisen war. Derbeschwerte sich zwar bei seiner Rückkehr, weil er angeblichseine Sachen nicht wiederfand, freundete sich aber nach einigerZeit mit den neuen Umständen an und schließlich lobte ersogar den Ideenreichtum seiner Frau. Sara zweifelte nichteinen Moment, dass es diesmal genauso sein würde.
Suizei mit seinen weit mehr als 100.000 Einwohnern wurdefast ausschließlich von den Nachkommen der Menschen ausdem ehemaligen Japan, China und Korea bevölkert. Sie hattenihrer Stadt, die nur ein kurzes Stück vom Meer entfernt lag,einen kaiserlichen Namen gegeben. Kamu Nunagawamimi noMikoto hatte Japan in der Zeit von 581–549 v. Chr. regiert. Derzusätzliche Name Suizei war ihm posthum verliehen worden.
Die Existenz dieses Kaisers wurde zwar von vielen Seitenbezweifelt, aber vielleicht wurde die Stadt gerade aus diesemGrunde nach ihm benannt.
Die Menschen hier pflegten sehr genau die alten Traditionenihrer Vorfahren und so heiratete man normalerweise auchkeine Fremden. Isabel war eine der wenigen Ausnahmen. Siewar sehr herzlich in der Familie aufgenommen worden,sicherlich auch, weil sie sich gründlich auf die Sitten und Bräucheder Gemeinschaft ihres künftigen Ehemannes vorbereitethatte. Deren Wurzeln reichten zurück bis zum Volk der Ainu,die bereits im Altertum die nördlichen Gebiete der japanischenHauptinsel Honshu besiedelt hatten. Dieses nordostasiatischeUrvolk hatte sich mit dem bereits dort lebendenUrvolk vermischt und daraus war dann die spätere japanischeRasse entstanden. In Harukis Familie war man stolz auf seineGeschichte.
Das junge Paar hatte sich vor zwei Jahren durch einenglücklichen Zufall kennengelernt. Nach dem Studium warIsabel ein halbes Jahr lang mit dem Rucksack durch den Südengereist. Sie wollte, bevor sie ihre Stelle als Lehrerin antrat,Land und Leute kennenlernen. Eines Morgens hatte sie in allerFrühe eine berühmte Tempelanlage besichtigt. Vor dem Betretenmusste man seine Schuhe neben dem