Dein Schatten tanzt in der Küche
Sie wurde angeschwemmt. Das Schlauchboot, ein älteres Modell, hatte einen Riss bekommen, nachdem eines der kleineren Kinder in einem unbeachteten Moment ein Taschenmesser gefunden und an der Schlauchbootwand versucht hatte, dessen Tauglichkeit zu prüfen.
Land war in Sicht, aber Adnan wollte nicht aus dem Boot, dem langsam, aber spürbar die Luft ausging. Er hatte nie auch nur angedeutet, dass er nicht schwimmen konnte. Das Boot war bereits so gut wie leer, als er Darya erklärte, dass er sich so lange daran festhalten wolle, bis die Küstenwache komme und ihn berge.
Bis die Küstenwache kommt, ist es zu spät, rief sie, dabei brach ihr beinah die Stimme. Dennoch versuchte sie, gelassen zu wirken, und schlug ihm vor, sich mit ihr ins Wasser zu lassen, sich auszustrecken und an ihren Schultern festzuhalten. Er müsse so ruhig wie möglich bleiben und sich so wenig wie möglich bewegen. Sie traue sich zu, ihn auf diese Weise an Land bringen zu können.
Das eher kleine Boot war nicht nur preiswert, sondern auch schlecht ausgestattet und bei Weitem überfrachtet. Die vorhandenen Schwimmwesten waren vor der Abfahrt auf die paar Kinder und deren des Schwimmens unkundige Mütter verteilt worden. Adnan war voller Scham und Hoffnung gewesen, die Überfahrt ohne Schwimmweste überstehen zu können.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber es dämmerte schon. Gut so, denn die Lampen, die für spärliches Licht gesorgt hatten, waren längst über Bord gegangen, als die Ersten das Boot verließen. Rundum versuchten die Mütter, sich an die Schwimmwesten zu gewöhnen, das hieß, mit ihrer Hilfe zu schwimmen, wobei die Kinder sich an ihnen festhielten. So versuchten sie, sich mit Wasserschlägen und ungezielten Beinbewegungen dem Ufer zu nähern. Wobei die schwimmenden Väter ihnen die Tempi vormachten und Mut zusprachen, während sie gleichzeitig husteten und immer wieder Wasser, nämlich das von ihnen aufgewirbelte Wasser, schluckten, das in ihre offenen Münder schäumte.
Erst als das Boot unter Wasser war und sie kaum mehr seinen Boden unter den Füßen verspürten, schien auch Adnan bereit zu sein, sich Daryas Hilfe zu überlassen. Als ihm dann das eiskalte Wasser bis zum Hals reichte und sie ihm noch einmal erklärt hatte, wie er seine Hände auf ihre Schultern legen und sich von ihr ziehen lassen sollte, griff er nach ihr, doch als sein Körper absackte, begann er zu zappeln, und sein Griff wurde zusehends verkrampfter.
Bleib ruhig, beweg dich nicht, schrie sie, schon hatte auch sie den Mund voll und erbrach den Schwall sofort, was auch ihre Achseln zum Zucken brachte, während Adnan an ihr rüttelte und mit den Beinen wie wild nach dem Wasser trat, um wieder nach oben zu kommen. Sie hörte, wie ihr Name, einer Welle gleich, über sie hinwegschwappte. Darya, Darya! Und spürte zur selben Zeit, wie Adnan sie nach unten zog.
Es war eingetreten, was sie sich vor Jahren in einem Wasserrettungskurs zu lernen vorgenommen hatte. Der nächste Schritt wäre gewesen, Adnan mit einem Faustschlag so weit zu betäuben, dass er bewegungslos auf der Wasseroberfläche lag und sie ihn unterm Kinn fassen und auf dem Rücken schwimmend ans Ufer ziehen konnte. Sie hatte die Bilder von jenem Kurs noch vor Augen, jedoch fehlten ihr die Kraft und der Halt, Adnan bewusstlos zu schlagen. Im Gegenteil, seine Umklammerung wurde immer bedrohlicher, auch sie, Darya, war bereits unter Wasser, bekam keine Luft mehr, und anstatt Adnan wie eine Rettungsschwimmerin ins Trockene zu holen, verfiel sie selbst in Panik. Ihr eigener Körper begann, o