: Christine von Brühl
: Schwäne in Weiß und Gold Geschichte einer Familie
: Aufbau Verlag
: 9783841226280
: 1
: CHF 15.20
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: Neuzeit bis 1918
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Aufstieg und Fall - und Neuanfang: die Geschichte der Familie von Brühl und ihres Schwanenporzellans Christine von Brühl, Nachfahrin des Politikers Heinrich von Brühl (1700-1763), erzählt vom wechselvollen Schicksal ihrer Familie. Am Beginn stehen Heinrichs märchenhafte Karriere am Dresdner Hof und sein beispielloser Niedergang. Die Geschichte ist dabei aufs engste mit dem Brühlschen Schwanenservice verbunden. Es stammt aus der Manufaktur Meissen und war das erste Porzellan von derart gestalterischer Pracht. Seine Fragilität ist von höchster Symbolkraft: Nach Kriegen und Flucht sind heute von ursprünglich 2000 wertvollen Exponaten nur noch wenige hundert erhalten. Dank Frieden und Mauerfall ist der Familie die Übertragung ihrer tradierten Werte in zeitgemäße Formen gelungen. »Die Geschichte des Meissener Schwanenservice zeigt, wie meine Familie dank der Wiedervereinigung ihren Frieden mit der Vergangenheit machen konnte.« Christine von Brühl



Christine von Brühl, geboren 1962, studierte Slawistik, Geschichte und Philosophie in Lublin, Heidelberg und Wien. Nach Stationen bei DIE ZEIT, Sächsische Zeitung und Das Magazin lebt sie heute als freischaffende Autorin in Berlin.

Im Aufbau Taschenbuch sind von ihr lieferbar: 'Die preußische Madonna. Auf den Spuren der Königin Luise', 'Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern' und 'Gerade dadurch sind sie mir lieb. Theodor Fontanes Frauen'. Zuletzt erschien bei Aufbau: 'Schwäne in Weiß und Gold. Geschichte einer Familie'.

Des Königs Schnitzel


Heinrichs Karriere war keineswegs so steil, wie es von außen den Anschein haben mochte. Vierzehn Jahre gehörte er zu Augusts II. engstem Gefolge, begleitete zuverlässig seinen Hof und versicherte ihn dauerhaft seiner Loyalität. Erst ein gutes Jahr vor dem Tod des Königs beförderte ihn dieser auf einen Posten, der ihn zu einem Mitglied der Regierung machte mit allen Möglichkeiten rechtmäßiger Einflussnahme.

Trotzdem prägte sich der Eindruck eines kometenhaften Aufstiegs ein, den sich auch seine direkten Nachkommen, meine Familie, kaum erklären konnten. Vielmehr kursierte eine beliebte Legende, die mein Vater meiner Mutter, kaum dass sie sich kennengelernt hatten, erzählte. Ein Schnitzel, das August II. bei einem feierlichen Abendessen serviert wurde, rutschte vom Teller, und während alle zu Boden gingen, um danach zu fahnden, sei Heinrich blitzschnell in die Küche geeilt, habe eine neue Portion geholt und sie dem König kurzerhand vor die Nase gesetzt. August II. sei darüber derart begeistert gewesen, dass er ihn sofort zu seinem Leibpagen, bald darauf zum Kammerdiener und schließlich zum Premierminister gekürt habe.

Diese Anekdote ist typisch für die Geschichten, die man sich lächelnd im engsten Kreis bei gemeinsamen Familienfesten zu erzählen pflegte, zeigt sie doch, ob sie der Wahrheit entsprach oder auch nicht, wie genau man in Adelskreisen wusste, dass nahe Verwandte beruflich ganz plötzlich in die Nähe der Macht geraten, ebenso zufällig aber auch wieder auf mittlere oder ganz unbedeutende unterste Positionen herabsinken konnten.

Ausschlaggebend für Heinrich war die Tatsache, dass er nicht nur das Vertrauen Augusts II., sondern auch das seines Thronfolgers gewinnen konnte. Die Dinge am sächsischen Hof standen im 18. Jahrhundert so, dass der Übergang vom Vater auf den Sohn glänzend vorbereitet worden war und überwiegend harmonisch vonstattenging. Wenige Monate nach der Hochzeit des Kurprinzen hatte ihn der Vater qua Dekret vom 17. Dezember 1719 offiziell in die Regierungsgeschäfte eingeführt und ihn zu seinem direkten Stellvertreter gemacht.30 Das kam insbesondere dann zum Tragen, wenn August II. unterwegs war oder sich länger in Polen aufhielt. Die Nähe zwischen beiden zeigte sich auch darin, dass der sogenannte »Junge Hof« im Taschenbergpalais untergebracht war, unmittelbar neben dem Residenzschloss. Insofern war der Kurprinz jahrelang im Vorfeld an den Regierungsgeschäften beteiligt gewesen und konnte, wenn auch charakterlich keineswegs von derart selbstherrlicher Natur wie der Vater, dessen Werk auf angemessene Weise fortsetzen.

Zudem führte er eine stabile Ehe und hatte in der gebildeten Kaisertochter Maria Josepha eine Frau gefunden, die die Geschehnisse in Sachsen aufmerksam verfolgte. Schon vor Augusts II. Ableben gebar sie in rascher Folge potenzielle Thronfolger; von ihren fünfzehn Kindern erreichten elf das Erwachsenenalter, darunter fünf Söhne. Obwohl Heinrichs Eid auf das sächsische Königshaus mit Augusts II. Tod erlosch, hatte er allen Grund anzunehmen, dass es dort weiterhin für ihn Verwendung geben würde.

In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten, in denen sich Sachsen umorganisieren, der neue Kurfürst bestätigt und auch die polnische Thronfolge bestimmt werden musste, agierte Heinrich in erprobter Unbeirrbarkeit und Zuverlässigkeit. Bei der Erbhuldigung im Dresdner Schloss sah man ihn selbstverständlich an der Seite Friedrich Augusts neben anderen getreuen Höflingen wie Friesen, Oberhofmarschall Woldemar von