: Michael Connelly
: Night Team Renée Ballard trifft Harry Bosch
: Kampa Verlag
: 9783311702191
: Ein Fall für Harry Bosch
: 1
: CHF 11.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Seit drei Jahren arbeitet Renée Ballard nun schon in der Late Show, der berühmt-berüchtigten Nachtschicht des LAPD. Als sie in den frühen Morgenstunden von einem Routineeinsatz in das verlassene Detective Bureau der Hollywood Division zurückkehrt, um ihren Bericht zu schreiben, erwischt Ballard einen grauhaarigen Unbekannten mit Schnurrbart, der sich an den Aktenschränken zu schaffen macht. Der Mann ist kein Geringerer als Harry Bosch. Der pensionierte Detective hat versucht, die Akte der fünfzehnjährigen Prostituierten Daisy Clayton mitgehen zu lassen, deren Leiche vor neun Jahren in einem Müllcontainer gefunden wurde. Kurzerhand schmeißt Ballard den Ex-Ermittler raus - um wenig später zu erkennen, dass der erschütternde Fall einen zweiten Blick lohnt. Ballard und Bosch wird klar, dass sie gemeinsam viel erreichen können: Sie geht mit Biss an die Sache ran und kann die Ressourcen der Polizei nutzen, er hat reichlich Erfahrung und nichts zu verlieren. Als ebenso ungewöhnliches wie perfektes Ermittlerduo machen sich die beiden Einzelgänger zusammen an die Arbeit.

Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene?e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.

BALLARD


1


Die Streifenpolizisten hatten die Haustür offen gelassen. Sie glaubten, ihr einen Gefallen zu tun, wenn sie das Haus lüfteten. Aber es war gegen die Vorschriften zur Beweismittelsicherung an einem Tatort. Keime konnten hinein- und hinausgelangen. Touch-DNA konnte von einem Luftzug fortgeweht werden. Gerüche bestanden aus Partikeln. Lüftete man an einem Tatort, gingen Beweise verloren.

Aber das alles wussten die Streifenpolizisten nicht so genau. Ballard hatte vom Schichtleiter nur mitgeteilt bekommen, dass die Leiche schon zwei, drei Tage im Haus lag – bei ausgeschalteter Klimaanlage. Entsprechend stank es dort, seinen Worten nach, wie in einem Stinktierbau.

Am Straßenrand waren zwei Streifenwagen geparkt. Zwischen ihnen standen drei uniformierte Polizisten und warteten auf Ballard. Sie konnte gut verstehen, dass sie nicht bei der Leiche im Haus geblieben waren.

Ein in etwa hundert Metern Höhe kreisender Hubschrauber hatte seinen Suchscheinwerfer auf die Straße gerichtet. Es sah aus, als hinge er an einer Leine aus Licht, die ihn am Wegfliegen hinderte. Ballard machte den Motor aus, blieb aber noch in ihrem Zivilstreifenwagen sitzen. Von der Stelle, an der sie angehalten hatte, konnte sie zwischen zwei Häusern hindurch die Lichter der Stadt sehen, die sich wie ein riesiger Teppich unter ihr ausbreiteten. Nicht viele wussten, dass sich der Hollywood Boulevard eng und kurvig so weit in die Hügel heraufwand. Hier oben gab es nur noch Wohnhäuser, es war nichts mehr vom Glamour und Schmutz der Touristenattraktion Hollywood Boulevard zu spüren, wo die Leute mit kostümierten Superhelden und Sternen im Gehsteig Selfies machten. Hier oben waren Macht und Geld zu Hause, und Ballard wusste, dass ein Mord in den Hügeln immer die tollen Hechte desLAPD anlockte. Sie war nur eine Art Übergangslösung und würde den Fall nicht lang behalten. Je nachdem, wen es erwischt hatte und wie prominent er war, würde sie ihn bald an die Mordkommission des West Bureau oder vielleicht sogar an die Robbery-Homicide Division Downtown abgeben müssen.

Sie riss sich vom Anblick des Lichtermeers los und machte die Innenbeleuchtung an, um ihren Notizblock besser sehen zu können. Sie kam gerade von ihrem ersten Einsatz dieser Schicht, einem Einbruch in einer Seitenstraße der Melrose Avenue, und hatte sich bereits alles für den Bericht aufgeschrieben, den sie bei ihrer Rückkehr in die Hollywood Division verfassen wollte. Sie schlug eine neue Seite auf, notierte sich Zeitpunkt –1:47 Uhr – und Adresse und fügte einen Vermerk über die klare Sicht und die milde Witterung hinzu. Sie machte die Innenbeleuchtung wieder aus, ließ aber das Blaulicht an. Dann stieg sie aus, öffnete die Heckklappe und nahm ihren Tatortkoffer heraus.

Es war Montagmorgen, und sie hatte noch eine ganze Woche vor sich, in der sie allein Dienst hatte. Deshalb musste sie ihren Hosenanzug mindestens noch ein weiteres Mal, wenn nicht sogar öfter tragen und durfte ihn sich nicht mit Verwesungsgeruch versauen. Sie zog ihr Jackett aus und legte es ordentlich gefaltet auf eine der leeren Beweismittelboxen im Kofferraum ihres Streifenwagens. Dann nahm sie ihren Tatortoverall aus einer Plastiktüte und streifte ihn sich über Stiefel, Hose und Bluse. Nachdem sie den Reißverschluss bis unters Kinn zugezogen hatte, stellte sie erst einen Fuß, dann den anderen auf die Stoßstange, um die Klettverschlüsse um ihre Fußgelenke herum zu verschließen. Nachdem sie das auch an ihren Handgelenken gemacht hatte, waren ihre Kleider luftdicht versiegelt.

Sie nahm ein paar Gummihandschuhe und eine Atemmaske, die sie bei Obduktionen verwendet hatte, als sie noch bei derRHD war, aus dem Tatortkoffer, schloss den Kofferraum und ging zu den drei Streifenpolizisten. Es waren Sergeant Stan Dvorek, der für dieses Viertel zuständig wa