: Carl Achleitner
: Das Geheimnis eines guten Lebens Erkenntnisse eines Trauerredners
: Edition A
: 9783990014387
: 1
: CHF 14.40
:
: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 224
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mehr als zweieinhalbtausend Trauerreden hat Carl Achleitner bereits gehalten. Er hat sich dafu?r mit dem Lebensweg der Verstorbenen befasst und mit ihren Angehörigen gesprochen. In diesem Buch nähert sich der Mann mit der sanften Stimme und dem schwarzen Anzug mit Leichtigkeit und Heiterkeit dem einen großen Geheimnis an: Was es ist, das am Ende zählt und uns unvergesslich macht.

Carl Achleitner, geboren 1963 in Grieskirchen in Oberösterreich, ist neben seiner Karriere als Film- und Theaterschauspieler seit 2012 als Trauerredner tätig. Mehr als zweieinhalbtausend Menschen hat er in dieser Tätigkeit bereits auf ihrem letzten Weg begleitet und verabschiedet.

Edi hat ein Rendezvous


Grau in Grau. Feuchte, windige Kälte kriecht einem durch die Thermo-Unterwäsche bis in die Knochen.»Ich freu’ mich, wenn’s regnet, denn wenn ich mich nicht freu’, regnet es auch«, flüstert mir Karl Valentin zu. Aber der hat leicht reden, der ist tot. Sauwetter, denke ich, als ich die Bäckerei betrete.

»Begräbniswetter«, höre ich jemanden vor mir sagen. Klar, das assoziieren wir. Für die meisten ist das so leicht dahingesagt. Für mich ist jeden Tag Begräbniswetter. Würden Sie mich nach meinem Beruf fragen, dann würde ich am liebsten sagen: über das Leben reden. Sie würden dann wahrscheinlich den Kopf schütteln, wenn Sie erfahren, was ich tatsächlich mache. Ich bin Trauerredner. Vor ein paar Jahren hätte ich selbst noch meinen Kopf darüber geschüttelt.

Während für die meisten Menschen der Gang zum Friedhof etwas Außergewöhnliches ist, ist es für mich Alltag. Für viele mag der Friedhof ein Ort des Schmerzes und des Schreckens sein. Für mich ist er der schönste Arbeitsplatz der Welt. Ich halte meine Reden in der Sommerhitze am Grab oder bei Minusgraden in zugigen Kapellen. Oder wie heute in der prachtvollen Aufbahrungshalle in Brunn am Gebirge, südlich von Wien. Ich bestelle meine Melange. Die Bäckereiangestellte trödelt. Ich schaue auf die Uhr. Pünktlichkeit ist wichtig in meinem Beruf. Zu spät kommen wäre eine Katastrophe. Deshalb bin ich prinzipiell immer eine Stunde vor Beginn vor Ort. Das gibt mir Zeit, in Ruhe anzukommen und in die jeweilige Lebensgeschichte einzutauchen. Für die mir anvertrauten Menschen ist der Tag des Abschieds etwas Einzigartiges, nicht Wiederholbares. Wenn der Tod auf Besuch kommt, bleibt die Welt kurz stehen.

Ich parke mein Auto an der Mauer mit den kahlen Weinreben, die jetzt im Winter wie tot aussehen und doch im Frühjahr die ganze Wand mit üppigem Grün überwuchern werden. Mit meiner Mappe in der Hand gehe ich den schmalen Weg entlang zur Aufbahrungshalle, die von manchen Menschen fälschlicherweise als Aufbewahrungshalle bezeichnet wird. Ich weiß nicht, das wievielte Mal ich schon hier bin. Es ist einer der Friedhöfe, die ich ganz besonders mag. Die Halle ist an der Decke hell verkleidet, Malerei von Herwig Zens an den Wänden, ein bunter Totentanz, viel Tageslicht fällt in den Raum.

Der Arrangeur ist auch schon da. Wir kennen uns lange. Ich mag ihn und verzeihe ihm, dass er sagt: »Nichts Besonderes, kleiner Kreis.« Sobald die Leute da sind, ist er Profi, der sich in über zwanzig Jahren Berufserfahrung Pietät und Menschlichkeit bewahrt hat. »Nur ein Gesteck und acht Rosen … Schauen wir mal, wie wir das verteilen, damit es gut ausschaut.«

Ich nicke. Das Arrangieren der Blumen und Kränze ist namengebender Teil des Anforderungsprofils eines Arrangeurs. Wir gehen gemeinsam unsere Listen durch.

»Zwei Lieder.« Er tippt auf seinen Zettel. »Schlusslied ›Sag beim Abschie