Was Sie erwartet
Anfang der 2000er-Jahre, also vor bald zwei Jahrzehnten, griff mich ein Weihbischof der katholischen Kirche in einem Leserbrief an die österreichische TageszeitungDie Presse an. Er verschwieg zwar meinen Namen, doch er sprach vom »Vorsitzenden einer Ethikkommission«, womit klar war, wen er meinte.
Ethikkommissionen kümmern sich darum, dass angewandte Forschungen am Menschen ethisch sauber sind. Die Kommission, die ich leitete, hatte das österreichische Bundeskanzleramt ins Leben gerufen. Sie hatte sich zu diesem Zeitpunkt mit einem brisanten und dementsprechend polarisierenden Thema zu befassen. Es ging um künstliche Befruchtung, die In-vitro-Fertilisation (IVF), die heute fast schon Routine in der Familienplanung beziehungsweise in der Reproduktionsmedizin ist, damals aber noch völlig neu war. 1978 war in England das erste Retortenkind zur Welt gekommen, 1982 dann das erste in Österreich. Die wichtigste ethische Frage, die dabei zu diskutieren war, hatte damit zu tun, dass bei der IVF jeweils mehrere Eizellen befruchtet werden, aber immer nur eine oder zwei davon in den Körper der Frau implantiert werden. Die übrigen starben damals meist von selbst ab. War das nach ethischen Gesichtspunkten vertretbar?
Eine Frage, mit der nicht nur wir uns befassten. Auf internationaler Ebene tat das zum Beispiel das renommierteKennedy Institute of Ethics. Der dort in die Diskussion involvierte Professor John Harvey, Leibarzt der Kennedy-Familie, lud mich mehrmals nach Amerika ein. Auch hier kreisten alle Gespräche sehr ernsthaft um die zentrale Überlegung, wie dieser Aspekt der IVF ethisch und juristisch zu handhaben sei.
Ich befürwortete die IVF grundsätzlich. Als Reproduktionsmediziner kannte ich den sehnlichen und oft auf traurige Weise unerfüllten Wunsch von Frauen und Männern nach Kindern. Ich sah hier eine Chance, Leben zu schaffen und Familien zu gründen. Dafür nannte mich der Weihbischof einen »Abtreiber«, der »dem ewigen Gericht nicht entgehen« werde.
Mich traf das umso härter, als ich mich der katholischen Kirche, ihren ethischen und spirituellen Konzepten, ihren Traditionen und ihrem gesamten Apparat verbunden fühlte. Ich hatte als Schüler ein katholisches Internat besucht und mich dort gut aufgehoben gefühlt. Später studierte ich neben Medizin auch Theologie und war einige Jahre lang Sekretär des Wiener Kardinals König gewesen, eine Zeit, die mich als junger Mensch prägte wie keine andere.
Ich wollte den Angriff zunächst ignorieren, doch das ging nicht. Der Weihbischof hatte damit eine Welle der Aggression ausgelöst, und er schürte sie weiter.
Ich war irritiert und fand, dass sich ein Gericht mit dem Weihbischof befassen solle, und zwar nicht nur das von ihm ins Spiel gebrachte ewige, sondern zunächst einmal ein weltliches. Ich wandte mich an einen Anwalt, der für mich eine Klage gegen den Weihbischof samt Antrag auf Unterlassung sowie eine einstweilige Verfügung einbrachte.
Es folgte ein langwieriges juristisches Hin und Her. Die Materie war auch für die Gerichte neu und wurde teils recht emotional betrachtet. Zunächst entwickelte sich die Causa