: Mark Twain
: Mark Twain, Tom Sawyers Abenteuer Vollständige, ungekürzte Ausgabe
: Anaconda Verlag
: 9783641279080
: 1
: CHF 3.50
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 288
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mark Twains »Tom Sawyers Abenteuer« begeistert seit fast 150 Jahren ganze Heerscharen kleiner und großer Leser. Die Geschichte der beiden Freunde Tom Sawyer und Huckleberry Finn spielt an den Ufern des Mississippi und erschien erstmals 1876. Twains Blick auf seine Helden ist getragen von der Erinnerung an seine eigenen Kindertage und er weiß, was sie bewegt. Die Lust auf Abenteuer und die unverbrüchlichen Bande der Freundschaft sind die zeitlosen Themen dieses wunderbaren Romans.

Samuel Langhorne Clemens (1835-1910), besser bekannt unter dem Pseudonym Mark Twain, war ein scharfzüngiger Kritiker der amerikanischen Gesellschaft: humorvoll bis satirisch schrieb er über den alltäglichen Rassismus, Heuchelei, Verlogenheit und Korruption seiner Landsleute. Bereits mit seinen ersten Erzählungen, entstanden in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, errang er großen litarischen Erfolg, der sich durch die Abenteuergeschichten um die beiden Jungen Tom Sawyer und Huckleberry Finn zu Weltruhm steigerte.

Erstes Kapitel


Tom!«

Keine Antwort.

»Tom!«

Tiefes Schweigen.

»Wo der Junge nun wieder steckt, möcht ich wissen. Du – Tom!«

Die alte Dame zog ihre Brille gegen die Nasenspitze herunter und starrte drüber weg im Zimmer herum, dann schob sie sie rasch wieder empor und spähte drunter her nach allen Seiten aus. Nun und nimmer würde sie dieselbe so entweiht haben, dass sie durch die geheiligten Gläser hindurch nach solchem geringfügigen Gegenstand geschaut hätte, wie ein kleiner Junge einer ist. War es doch ihre Staatsbrille, der Stolz ihres Herzens, welche sie sich nur der Zierde und Würde halber zugelegt, keineswegs zur Benutzung – ebenso gut hätte sie durch ein paar Kochherdringe sehen können. Einen Moment lang schien sie verblüfft, da sie nichts entdecken konnte, dann ertönte wiederum ihre Stimme, nicht gerade ärgerlich, aber doch laut genug, um von der Umgebung, dem Zimmergerät nämlich, gehört zu werden: »Wart, wenn ich dich kriege, ich – –«

Sie beendete den Satz nicht, denn sie war inzwischen ans Bett herangetreten, unter welchem sie energisch mit dem Besen herumstöberte, was ihre ganze Kraft, all ihren Atem in Anspruch nahm. Trotz der Anstrengung förderte sie jedoch nichts zutage als die alte Katze, die ob der Störung sehr entrüstet schien.

»So was wie den Jungen gibt’s nicht wieder!«

Sie trat unter die offene Haustür und ließ den Blick über die Tomaten und Kartoffeln schweifen, welche den Garten vorstellten. Kein Tom zu sehen! Jetzt erhob sich ihre Stimme zu einem Schall, der für eine ziemlich beträchtliche Entfernung berechnet war:

»Holla – du – To-om!«

Ein schwaches Geräusch hinter ihr veranlasste sie, sich umzudrehen, und zwar eben noch zu rechter Zeit, um einen kleinen, schmächtigen Jungen mit raschem Griff am Zipfel seiner Jacke zu erwischen und eine offenbar geplante Flucht zu verhindern.

»Na, natürlich! An die Speisekammer hätte ich denken müssen! Was hast du drinnen wieder angestellt?«

»Nichts.«

»Nichts? Na, sieh mal einer! Betracht mal deine Hände, he, und was klebt denn da um deinen Mund?«

»Das weißich doch nicht, Tante!«

»So, aberich weiß es. Marmelade ist’s, du Schlingel, und gar nichts anderes. Hab ich dir nicht schon hundert Mal gesagt, wenn du mir die nicht in Ruhe ließest, wollt ich dich ordentlich gerben? Was? Hast du’s vergessen? Reich mir mal das Stöckchen da!«

Schon schwebte die Gerte in der Luft, die Gefahr war dringend.

»Himmel, sieh doch mal hinter dich, Tante!«

Die alte Dame fuhr herum wie von der Tarantel gestochen und packte instinktiv ihre Röcke, um sie in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig war der Junge mit einem Satz aus ihrem Bereich, kletterte wie ein Eichkätzchen über den hohen Bretterzaun und war im nächsten Moment verschwunden. Tante Polly sah ihm einen Augenblick verdutzt, wortlos nach, dann brach sie in leises Lachen aus.

»Hol den Jungen der und jener! Kann ich denn nie gescheit werden? Hat er mir nicht schon Streiche genug gespielt, dass ich mich