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Der Schlafdorn
September 2010
Es war bereits spät, und bis vor wenigen Augenblicken hatte auch völlige Ruhe geherrscht. Magnus Bane, Oberster Hexenmeister von Brooklyn, saß im Wohnzimmer in seinem Lieblingssessel, ein offenes Buch auf dem Schoß, und beobachtete, wie sich der Riegel des Schiebefensters hin- und herdrehte. Schon seit einer Woche versuchte jemand, in seine mit Schutzzaubern versehene Wohnung im obersten Geschoss des Hauses einzudringen. Allem Anschein nach hatte derjenige beschlossen, es jetzt auf direkterem Wege zu probieren.
Eine ziemlich törichte Entscheidung, fand Magnus. Denn erstens blieben Hexenwesen gern bis tief in die Nacht auf. Und zweitens lebte er mit einem Schattenjäger zusammen. Der war zwar im Moment auf Patrouille, aber Magnus sah sich durchaus in der Lage, sich selbst zu verteidigen, sogar im Pyjama. Er zog den Gürtel seines schwarzen Seidenmorgenmantels fester und bewegte die Finger, bis er spürte, wie sich seine Magie darin sammelte.
Noch vor wenigen Jahren hätte er auf diesen Einbruchversuch nonchalanter reagiert. Er hätte der Sache ihren Lauf gelassen und darauf vertraut, dass seine Reflexe ihn leiten würden. Doch jetzt saß er aufrecht da und zielte mit zwei Fingern auf das Fenster: Schließlich befand sich sein kleiner Sohn in seinem Zimmer am anderen Ende des Flurs.
Inzwischen schlief der etwas über ein Jahr alte Max die meisten Nächte durch – was einerseits eine große Erleichterung, andererseits aber auch ein ziemlicher Nachteil war, da seine Eltern bis tief in die Nacht aktiv blieben. Max dagegen wachte jeden Morgen Punkt halb sechs mit einem fröhlichen Krähen auf, das Magnus liebte und zugleich fürchtete.
Jetzt wurde das Wohnzimmerfenster langsam nach oben geschoben. Saphirblaue Flammen loderten in Magnus’ Handflächen auf.
Eine Gestalt hievte ihren Oberkörper durch das Fenster und erstarrte dann: ein Schattenjäger in voller Kampfmontur, mit einem Bogen über der Schulter. Überrascht sah er Magnus an.
»Äh, hi«, sagte Alec Lightwood. »Ich bin wieder da. Bitte vernichte mich nicht mit deinen magischen Strahlen.«
Magnus wedelte mit den Händen, woraufhin die blauen Flammen verlöschten. Nur ein paar dünne Rauchkringel kräuselten sich noch um seine Finger. »Normalerweise benutzt du die Haustür.«
»Manchmal brauche ich Abwechslung.« Alec wuchtete den Rest seines Körpers ins Wohnzimmer und schloss das Fenster hinter sich. Magnus warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Okay, ich geb’s zu: Ein Dämon hat meinen Schlüssel gefressen.«
»Wir haben einen unheimlich hohen Schlüsselverbrauch«, stöhnte Magnus und erhob sich, um seinen Freund zu umarmen.
»Moment, nicht! Ich müffle.«
»An Schweißgeruch nach einer langen, arbeitsreichen Nacht ist nichts auszusetzen«, verkündete Magnus und bewegte den Kopf in Richtung von Alecs H