: Rados?aw Sikorski
: Das polnische Haus Die Geschichte meines Landes
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863935016
: 1
: CHF 13.50
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 390
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im englischen Exil wird für Rados?aw Sikorski der 'dwór', das traditionelle Gutshaus des polnischen Landadels, zum Inbegriff von Geborgenheit, von Zugehörigkeit und kultureller Identität. 1989, nach dem Sieg der Solidarno?? und dem Ende der Diktatur des Generals Jaruzelski zurück in Polen, findet Sikorski tatsächlich ein solches Landhaus. Die Restaurierung und Wiedererrichtung des verfallenen Hauses, dessen Fundamente ins 14. Jahrhundert zurückreichen, wird unversehens zu einer spannenden, abenteuerlichen Entdeckungsreise: Schicht für Schicht offenbart sich ihm mit der Geschichte des Hauses die des eigenen Landes und zugleich die eigene Familiengeschichte: Ein Wegweiser durch die wechselvollen, heroischen und tragischen Kapitel einer Geschichte, die zu einem langen und großen Teil auch eine deutsche ist.

Rados?aw Sikorski, amtierender Außenminister Polens, geboren 1963, emigrierte als achtzehnjähriger Solidarno?? -Sympathisant nach England. Er studierte in Oxford und arbeitete als Journalist für den Spectator und den Observer unter u. a.in Angola und Afghanistan. Erst 1989, nach dem Sieg von Solidarno?? bei den ersten freien Wahlen in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg, war ihm die Rückkehr in seine Heimat möglich, wo er Staatssekretär im Verteidigungsministerium und später Außenministerium wurde. 2005 wurde er vom designierten Ministerpräsidenten Kazimierz Marcinkiewicz zum Verteidigungsminister ernannt.

CHOBIELIN


ICH WOLLTE SCHON immer in einemdworek wohnen. Jeder Pole möchte das. Ein im Ausland lebender Engländer träumt vielleicht davon, eines Tages in seine Heimat zurückzukehren und ein georgianisches Pfarrhaus zu beziehen. Ein Amerikaner irischer Herkunft sehnt sich vielleicht nach einem idyllischen weißen Cottage. Ein Deutscher oder ein Franzose möchte sich in seinen alten Tagen vielleicht auf einen kleinen Bauernhof in Bayern oder der Provence zurückziehen. Ein Pole sieht sich hingegen als stolzer Bewohner einesdwór, d.h. eines Gutshauses, oder eines etwas kleinerendworek. Ein typischesdworek ist ein klassizistischer Bau aus dem 18. oder dem Anfang des 19. Jahrhunderts, hält die Mitte zwischen einem aristokratischen Palast und einem florierenden Bauernhof und verfügt über das obligatorische weiße Säulenportal und zumindest einen großen Garten. Es muß nicht besonders vornehm sein – die meisten Häuser seiner Art bestehen aus Holz –, und in England würde ein durchschnittlichesdworek gerade noch als geräumiges Cottage durchgehen. Früher war die polnische Landschaft mit ihnen gepflastert.

In einemdworek läßt es sich nicht nur einfach angenehm wohnen, es ist ein Lebensstil. Nationen, die noch nie unter einer Besatzungsmacht gelebt haben, können sich wohl kaum vorstellen, welche Aura solche Orte umgibt, an denen einst die nationalen Hoffnungen bewahrt wurden. Im 19. Jahrhundert, als Polen von der europäischen Landkarte verschwand, wurde das Polentum an zwei verschiedenen Orten gehütet: in der Kirche durch die Bauern und imdwór durch den Adel. Im 19. Jahrhundert gingen von diesen Gutshäusern die aussichtslosen Aufstände des polnischen Adels aus; im Gegenzug wurden die Domizile von den zaristischen Machthabern beschlagnahmt. Bis vor wenigen Generationen drehten sich in Polen die populären Romane – die vielleicht am besten die jeweiligen Volksvorstellungen widerspiegeln – immer um eindworek. Jedes polnische Kind hat in der Schule, sogar in der kommunistischen Zeit, diese Vorstellung von Arkadien kennengelernt, die der Nationaldichter Adam Mickiewicz im Pariser Exil beschrieben hat:

Vor vielen Jahren lag an dieser Stelle

Ein Edelhof in einem Birkenhain.

Die weißen Wände leuchteten so helle

Durchs dunkle Grün der Pappeln, die in Reihn

Wie stumme Wächter das Gehöft umstanden.

Und wenn im Herbst der Sturm zog durch das Land,

Dann wurde all sein Toben schnell zuschanden:

Die Pappeln hielten seinem Wüten stand.

Das Wohnhaus war nicht groß. Die weißen Wände

Von Holz gefügt. Jedoch das Fundament

War ringsum fest gemauert. Fleiß’ge Hände,

Das sah man, waren tätig ohne End.

Und große Schober standen in der Enge

Des Hofraums, denn der weite Scheunenraum,

So groß er war, er faßte doch die Menge

Des eingebrachten Erntesegens kaum.

Getreidehocken standen dort in Reihen,

So dicht, wie Sterne hoch am Himmelszelt.

Sie zeugten von dem prächtigen Gedeihen

Des Korns auf dem gepflegten Ackerfeld.

Und in der Brache