: Hans Günther Adler, Hermann Langbein, Ella Lingens-Reiner
: Auschwitz Zeugnisse und Berichte. Mit einer Einführung zur 6. Auflage von Katharina Stengel
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863935290
: 1
: CHF 13.50
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 341
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die 'Zeugnisse und Berichte aus Auschwitz' stellen eine der umfassendsten Dokumentationen der Wirklichkeit im größten nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager dar. Die zahlreichen Aspekte der Lagergeschichte und die vielen unterschiedlichen Perspektiven und Stimmen, die der Band versammelt, machen ihn nach wie vor zu einer ungewöhnlichen und wertvollen Lektüre. Diese bleibende Bedeutung konnte die Anthologie nur erlangen, weil die Herausgeber sich gleichsam doppelt gegen den 'Zeitgeist' stellten - sowohl gegen die Wahrnehmungsverweigerung der bundesdeutschen Mehrheitsgesellschaft als auch gegen die herkömmlichen antifaschistischen Deutungen der KZ-Erfahrungen.

H.G. Adler, 1910-1988, arbeitete vor dem Krieg als Lehrer und Radioredakteur in Prag, nach dem Krieg als Schriftsteller in London. Er wurde 1941 zunächst als Zwangsarbeiter interniert, dann nach Theresienstadt deportiert und später nach Auschwitz. 1945 Befreiung aus dem KZ Langenstein-Zwieberge. Er gehörte dem Internationalen Auschwitzkomitee an und organisierte dessen Arbeit in Großbritannien. Von 1973 bis 1985 war er Präsident des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Hermann Langbein, 1912-1995, Schriftsteller und Publizist, war in den Konzentrationslagern Dachau, Auschwitz und Neuengamme inhaftiert. 1954 Mitbegründer des Internationalen Auschwitzkomitees (IAK) und Sekretär der österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz. Er trat als Zeuge in den Frankfurter Auschwitz-Prozessen auf und schrieb mehrere Bücher über Auschwitz. Ella Lingens-Reiner, 1908-2002, war Juristin und Ärztin. Versteckte jüdische Bürger vor der Gestapo, wurde denunziert und in das KZ Auschwitz deportiert. Veröffentlichte 1947 und 2003 einen Bericht über ihre Lagererfahrungen. Als Zeitzeugin erinnerte sie in Schulen und Seminaren an die Verbrechen der Nationalsozialisten. Katharina Stengel ist Autorin einer 2012 erschienenen Biographie über Hermann Langbein.

Tadeusz Paczula


Die ersten Opfer sind die Polen


Das Konzentrationslager Auschwitz wurde im Juni 1940 gegründet. Die Auswahl der Lagerleiter, der Angehörigen der Politischen Abteilung und der SS-Mannschaft war sorgfältig durchdacht. Noch vor der Einlieferung des ersten regulären polnischen Transportes wurden aus Sachsenhausen 30 Häftlinge nach Auschwitz überstellt, durchwegs Berufsverbrecher (BV), die im neuen Lager die leitenden Posten und damit Macht erhielten. Einige von ihnen hatten unter dem grünen Dreieck ein menschliches Herz, auf die Lagerverhältnisse konnten sie aber keinen Einfluss ausüben.

Gleich zu Beginn wurde von der SS gemeinsam mit den Grünen eine Schreckensherrschaft eingeführt. Sie haben einander ergänzt, im Morden wetteiferten sie sogar. Als im Lauf der Zeit die Anzahl der Häftlinge zunahm und die Gruppe der Grünen nicht mehr ausreichte, wurde im August 1940 aus Sachsenhausen ein zweiter Transport von grünen und schwarzen (asozialen) Häftlingen nach Auschwitz geschickt.

Die Arbeit war schwer; sie war darauf angelegt, die Menschen zu vernichten. Alles musste im Laufschritt geschehen. Das Essen war schändlich, bei der Arbeit wurde geprügelt, jedes noch so kleine Vergehen, jede Fahrlässigkeit wurden mit Totschlag geahndet. Ja, sogar ohne jegliche Ursache gehörte Totschlag zum Alltag. Wenn auf die Frage eines SS-Mannes oder Capos »woher bist du?« ein Häftling sagte »aus Warschau«, so war die Antwort allein oft ein ausreichender Grund dafür, den Häftling umzubringen. Der Hass der Mörder gegen sämtliche Warschauer war sonderbar. Auf Kosten der verbluteten Warschauer konnten wahrscheinlich manche Häftlinge aus anderen Transporten dem Tod entrinnen.

Sogenannter »Sport«, Strafübungen, Strafarbeiten, Prügeln beim Suppenkessel, Prügeln bei der Latrine, Prügeln bei der Arbeit, vor der Arbeit und nach der Arbeit, Prügeln bei Tag und bei Nacht: All das hat die Kräfte und den Widerstandswillen der Häftlinge schnell gebrochen. Manche grünen Häftlinge waren so kräftig, dass sie mit einem einzigen Stockhieb einen Schädel zertrümmern konnten. Nicht selten war Hirnsubstanz auf dem Arbeitsplatz des Kartoffelabladekommandos oder auf dem Bauhof zu