»Ist der Westen die Zauberformel, auf der das Selbstverständnis der wiedervereinigten deutschen Nation im anbrechenden 21. Jahrhundert gründet? Zehn Jahre nach dem Fall des Kommunismus erlebt ein Begriff, der einst der ideologischen Mobilmachung gegen Moskau diente, in den Reden deutscher Politiker, in den Feuilletons deutscher Tageszeitungen und in den Schriften deutscher Historiker und Publizisten eine fast schon unheimliche Renaissance.«
Diese Sätze des Heidelberger Historikers Philipp Gassert waren am 19. September 2001, nur eine gute Woche nach den Anschlägen auf Pentagon und World Trade Center, in derFrankfurter Rundschau zu lesen.1 Sie sind offenkundig von unmittelbarer – auch innenpolitischer – Aktualität, und nicht erst, seitdem der hessische Ministerpräsident Koch – gleichfalls im September 2001 – gefordert hat, die »Nationale Identität« zum zentralen Thema des nächsten Bundestagswahlkampfes zu machen. Gassert möchte seinerseits verdeutlichen, »daß der Westen als ein kollektiver Mythos die Nation moralisch legitimiert, indem er die gegenwärtige politische Kultur Deutschlands in den größeren Zusammenhang der ›westliche