PROLOG
„Mum, wo feiern wir Weihnachten?“
Christy blickte von ihrem Brief auf. „Wahrscheinlich hier, zusammen mit Onkel Pete und euren Cousinen. Warum fragst du? Das ist noch eine Ewigkeit hin.“ Sie wollte nicht daran denken. Weihnachten war ein Familienfest, aber ihre Familie brach gerade auseinander.
Und wer war schuld? Sie. Sie hatte eine Dummheit gemacht, und nun bezahlten alle dafür.
„Stimmt nicht, nur einen Monat.“ Katy lehnte sich über den Tisch und entriss ihrem kleinen Bruder die Müslipackung. „Ich hab keine Lust, hier zu feiern. Onkel Pete ist nett, aber London ist schrecklich! Ich will Weihnachten bei Dad sein. Ich will wieder nach Hause.“
Christy spürte einen dumpfen Druck im Magen. „Also …“ Sie räusperte sich. „Wenn ihr wirklich wollt …“ Wie sollte sie das nur durchstehen – Weihnachten ohne die Kinder? „Ich schreibe eurem Vater, dass ihr kommt. Aber es kann sein, dass ihr eine Weile bei Großmutter bleiben müsst, weil Daddy im Krankenhaus arbeitet. Außerdem hat der Bergrettungsdienst in dieser Jahreszeit besonders viel zu tun …“
„Nicht nur wir beide.“ Katy holte sich den Zuckertopf. „Wir alle.“
„Wie –wir alle? Und zwei Löffel Zucker sind genug, Katy. Du machst dir die Zähne kaputt.“ Hinter ihren Schläfen begann es zu pochen.
„Ja, Zucker macht ganz dicke Löcher.“ Bens Griff nach dem Milchkrug endete damit, dass Milch auf den Tisch schwappte, anstatt in seiner Schale zu landen. „Das haben wir letzte Woche in der Schule gelernt. Dann kommt der Zahnarzt mit einem großen Bohrer und macht sie größer und füllt sie mit Zement!“
„Du bist so blöd! Was weißt du denn schon?“ Katy bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick und häufte die doppelte Menge Zucker auf ihr Müsli. „Baby.“
„Ich bin kein Baby mehr, ich bin sieben!“ Ben schoss von seinem Stuhl hoch, packte seine Schwester, und gleich darauf war eine wilde Rangelei im Gange.
„Hört auf, ihr zwei, sofort!“, befahl Christy streng, während sie einen Lappen holte, um die Milch aufzuwischen.
Katy ließ von ihrem Bruder ab, funkelte ihn böse an und begann, ihr Müsli in sich hineinzuschaufeln. „Ben und ich wollen Weihnachten nicht allein nach Hause fahren“, sagte sie mit vollem Mund. „Du sollst mitkommen.“
Die Kopfschmerzen wurden stärker, und sie stand auf, um sich eine Tablette zu holen. „Das hier ist unser Zuhause, mein Schatz. Wir wohnen jetzt in London.“
Sie blickte aus dem Fenster ihrer winzigen Wohnung auf die Straße hinunter. Regen trommelte gegen die Scheiben, und unten kroch eine endlose Autoschlange die trostlose nasse Straße entlang. Heruntergekommene hohe Backsteinhäuser verstellten ihr den Blick und ließen das fahle Winterlicht kaum herein. Niedergeschlagen schloss sie die Augen.
Und sah ihr Zuhause im Lake District vor sich: Gegen einen azurblauen Himmel zeichneten sich in der frostigen klaren Winterluft die Berge ab. Sie dachte an das Bergrettungsteam, die spannungsgeladene und doch herzliche, vertrauensvolle Atmosphäre, wenn sie sich auf einen Einsatz vorbereiteten. Freundschaft.
Mein Gott, ich will nicht hier sein, dachte sie bedrückt.
Ben ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen. „Hier ist nicht