»Ich stehe hier, weil ich gut bin.«
Stille.
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. In meinen Ohren rauschte das Blut. Ich wartete auf die Menschen im Saal. Wie würden sie reagieren? Hatten sie mich gehört? Hatte ich die richtigen Worte gefunden?
Ich stand allein auf der Bühne. Zum ersten Mal vor so vielen Menschen, die keine Mediziner waren. Meine bisherige Bühnenerfahrung beschränkte sich auf medizinische Konferenzen und Kongresse. Da war ich unter Weißkitteln, unter Leuten meines Faches. Und wurde nach meinen Vorträgen mitunter regelrecht auseinandergenommen. Meinen sogenannten Impulsvortrag hier auf der Messe herCAREER sollte ich dagegen vor Nichtmedizinern halten. Ganz ohne weißen Arztkittel. Wie würden sie mich und meine Leistung beurteilen?
Das kleine weiße Mikrofon schmiegte sich an meine Wange, festgeklemmt an meinem rechten Ohr. Es war an: Alle konnten meinen Atem hören! Meine Rede hatte ich nicht vorbereitet. Einfach losplaudern, ein bisschen was zu mir und meinem Werdegang erzählen. Das hatte mir die Moderatorin des Abends, Anke Fabian, die mich auch als Erste begrüßt und zu meinem Platz gebracht hatte, gerade eben noch hinter der Bühne mit auf den Weg ins Rampenlicht gegeben, bevor sie mich dem Publikum ankündigte, um mir nach dem kurzen Begrüßungsapplaus eben diese Bühne ganz zu überlassen. Hier stand ich nun. Das Licht der Scheinwerfer blendete mich. In der Menge vor mir konnte ich kein Gesicht ausmachen. Keine Gemütsregung ablesen. Was die wohl von mir erwarteten? Ich kannte hier niemanden, und mich kannte auch keiner. Noch nicht. Ich war angespannt. Fühlte mich irgendwie fehl am Platz.
Kurz vor meinem Bühnenauftritt hatte ich mit der damals amtierenden Bundesministerin für Wirtschaft und Energie im Kabinett III von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Brigitte Zypries (SPD), zusammengesessen. Als wir einander vorgestellt wurden, fragte mich die Frau Ministerin, ob ich die Dame von der Lufthansa sei. Ich klärte sie auf und fragte mich insgeheim, was ich auf dieser Veranstaltung sollte. Und als ich der gestandenen Politikerin erzählte, was ich tue, hörte sie mir ganz gespannt zu. Die Aufmerksamkeit, die Frau Zypries mir schenkte, ihr offenbar echtes Interesse an meiner Arbeit ehrten mich und erfüllten mich auch mit Stolz. Dann war da aber auch noch dieser Herr Staatssekretär, seinen Namen habe ich mir nicht gemerkt, der mich, nachdem wir uns einander vorgestellt hatten, mit den Worten begrüßte: »… ah, das gute Beispiel für Erfolg trotz Migrationshintergrund«. Sein aufgesetztes Lächeln konnte ich nicht erwidern. Ich war doch nicht hier, weil ich türkische Wurzeln hatte! Höflich wandte ich mich von ihm ab. Gern wäre ich in diesem Moment gegangen.
Ich war nicht vorbereitet auf diese Messe. Eine Karrieremesse, die vor allem Frauen zusammenbrachte, um sich auszutauschen, zu vernetzen und zu unterstützen. Ich kannte weder das eine noch das andere aus meinem Job. Dort war ich oft die einzige Ärztin in einer Männerrunde am Tisch – im OP-Saal wie in der Kantine. Und wenn ich auf Kolleginnen stieß, dann war ich trotzdem allein. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Ärztin eine Kollegin unterstützt hat.
Die Frauen, die ich hier auf der Messe traf, waren Frauen, die gerade noch studiert hatten und jetzt versuchten, in ihren Berufen Fuß zu fassen. Frauen, die gegründet hatten und sich gerade ihre selbststä