: Helmut Fischer
: Der Auferstehungsglaube Herkunft, Ausdrucksformen, Lebenswirklichkeit
: TVZ Theologischer Verlag Zürich
: 9783290176785
: 1
: CHF 10.80
:
: Religion/Theologie
: German
: 138
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Auferstehung gilt als der Kerninhalt des Christentums. Aber was ist damit gemeint? Die jüdische Auferstehungsvorstellung ist in der jungen Christenheit zu einem zentralen Audrucksmittel ihrer Botschaft geworden. Die leibliche Auferstehung wurde dann im Lauf der Kirchengeschichte durch die hellenistische Vorstellung einer unsterblichen Seele ergänzt und ersetzt. In der Neuzeit haben jedoch alle Auferstehungsvorstellungen ihre einstige Plausibilität verloren. Konsequent orientiert an den biblischen Texten arbeitet Helmut Fischer heraus, dass uns gerade dieser Plausibilitätsverlust den Blick für jene menschliche Lebenswirklichkeit freigemacht hat, für die in der traditionellen Sprache der Kirche das Wort 'Auferstehung' stand und für die es in einer säkularisierten Welt in einem verbindlicheren Sinn weiterhin stehen kann.

Helmut Fischer, Dr. theol., Jahrgang 1929, war zuletzt Professor am Theologischen Seminar in Friedberg/Hessen und während vieler Jahre dessen Direktor; seit 1991 im Ruhestand, ist er heute in der Lehrerfortbildung tätig, in der Erwachsenenbildung sowie als Autor und als Lehrer für Ikonenmalerei.

|17| 1 Das Weltverständnis als Hintergrund


Der Gedanke der Auferstehung wurde in der antiken Welt formuliert, von der uns ein »garstiger Graben« (Lessing) von 3000 bis 2000 Jahren trennt. Was immer Menschen sprachlich zum Ausdruck bringen, das tun sie in den Denkformen, Bildern und Metaphern ihrer jeweiligen Sprache, Kultur und Zeit. Was mit einer Aussage gemeint ist, ist nur innerhalb jenes sprachlich-geistigen Gesamtgefüges zu erkennen, aus dem sie hervorgegangen ist.

Die neutestamentlichen Texte sind in der Alten Welt in einer Phase des religiösen Umbruchs und des Austausches entstanden, in der unterschiedliche philosophische und religiöse Sinnangebote, Weltdeutungen und Kulte miteinander konkurrierten und sich untereinander in immer neuen Kombinationen vermischten. Die Verfasser der biblischen Schriften waren in ihren religiösen Vorstellungen durch die eigene kulturelle Herkunft oder Biografie geprägt und sie schrieben für Menschen, denen sie in deren religiösen Denkweisen die Botschaft Jesu verständlich zu machen suchten. Das erklärt nicht nur die Vielzahl der unterschiedlichen theologischen Konzepte; es veranschaulicht auch, dass es für das Verständnis einzelner Aussagen unerlässlich ist, den kulturell-religiösen Hintergrund sowohl des Verfassers wie auch seiner Adressaten zu beachten. Dazu kommt noch die jeweilige politische und gesellschaftliche Situation, aus der und in die hinein die Texte geschrieben wurden.

Was die Aussagen zur Auferstehung Jesu und der Toten betrifft, so wird der jeweilige Hintergrund in dem Maße zu berücksichtigen sein, wie es für deren angemessenes Verständnis erforderlich ist. Die für unseren Zusammenhang notwendigen Vorgaben des geistig-kulturellen Hintergrunds sollen|18| im Kapitel 1 zur Sprache kommen und können dann bei den einzelnen Texten differenziert und vertieft werden.

1.1 Das Weltverständnis der Antike


Da die Begriffe »Weltbild« und »Weltanschauung« ideologisch belastet und strittig sind, wähle ich den Begriff »Weltverständnis« und meine damit die Art und Weise, in der sich eine Kultur oder Religion die erfahrbare Welt vorstellt und diese deutet. In der Antike wurden die jeweiligen religiösen Weltverständnisse als »die Wirklichkeit« hingenommen. Die Fähigkeit, ein Weltverständnis als das Konstrukt des Denkens zu erkennen und zu reflektieren, hat die europäische Geisteskultur erst im 20. Jahrhundert hervorgebracht. Das muss hier nicht näher entfaltet werden (vgl. Blumenberg, Dux, Gantke). Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Menschen der alten Kulturen anders gedacht und Realität anders verstanden haben, als wir das heute tun. Die Vorstellungen und die logischen Verknüpfungen in den alten Kulturen müssen in dem Sinn verstanden werden, den sie in ihrer Welt zum Ausdruck bringen wollten.

1.1.1 Antike Weltmodelle


Die Religion Israels ist eng mit den Religionen und der Kulturgeschichte Vorderasiens, besonders Mesopotamiens, verbunden. In den alten Mythen (Göttergeschichten) dieses Raumes teilten sich Götter und Menschen noch denselben Lebensraum, nämlich die mit unseren Sinnen erfahrbare Welt, die an den Rändern von den Meeren und oben vom »Himmelsgewölbe« begrenzt war. Die klassischen Götter der Griechen wohnten auf dem Olymp, d. h. 2985 Meter über dem Meer, aber innerhalb unserer irdischen Lebenswelt. Daneben oder im Laufe der Entwicklung gab es auch Götter, die jenseits der menschlichen Lebenswelt wohnten und von dort aus|19| wirkten, so z. B. der babylonische Sonnengott Schamasch, der griechische Helios und die Gottheiten der Unterwelt, wie der babylonische Nergal oder der griechische Hades. Je nach E