: Isabelle Noth, Claudia Kohli Reichenbach
: Religiöse Erwachsenenbildung Zugänge - Herausforderungen - Perspektiven
: TVZ Theologischer Verlag Zürich
: 9783290177454
: Praktische Theologie im reformierten Kontext
: 1
: CHF 19.00
:
: Religion/Theologie
: German
: 144
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Religiöse Erwachsenenbildung befindet sich im Umbruch: Während die erfolgreiche Ära kirchlicher Bildungshäuser zu Ende geht, entstehen neue urbane Lehr- und Lernzentren. Die klassische Katechese weicht vermehrt einer Bildung, die sich im Dienst religiöser Selbstauslegung bzw. biografischer Selbststeuerung versteht. Die vorliegende Publikation beleuchtet diese Verschiebungen, diskutiert Theoriemodelle und fragt nach einer religiösen Erwachsenenbildung der Zukunft. Auf dem Hintergrund einer vielfach konstatierten Milieuverengung kirchlicher Angebote analysieren die Autorinnen und Autoren Profile von Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie Zielgruppen und reflektieren so eine Thematik, die in den letzten Jahren im akademischen Diskurs wenig bearbeitet wurde. Mit Beiträgen von Stefan Altmeyer, Monika Jakobs, Claudia Kohli Reichenbach, Isabelle Noth, David Plüss, Thomas Schlag, Daniel Schmid Holz, Friedrich Schweitzer, Jürgen Wolff.

Claudia Kohli Reichenbach, Dr. theol., Jahrgang 1975, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Isabelle Noth, Dr. theol., Jahrgang 1967, ist Professorin für Seelsorge, Religionspsychologie und Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Universität Bern.

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Sprachschule für die Freiheit, Option für die Armen oder perspektivenverschränkende Bildung?


Zugänge zu ausgewählten Theoriemodellen der Evangelischen Erwachsenenbildung

Jürgen Wolff

1. Vorbemerkungen


Die religiöse Erwachsenenbildung befindet sich im Umbruch. So lautet die Prämisse für die Tagung und dieser entsprechen auch die Wahrnehmungen aus der Bildungspraxis. Traditionelle Bildungshäuser werden aufgegeben, Planstellen werden gestrichen, staatliche und kirchliche Finanzmittel werden reduziert. Diese Veränderungsprozesse in der religiösen Erwachsenenbildung korrespondieren mit grundlegenden gesamtgesellschaftlichen Transformationsmustern, die mit den Begriffen Globalisierung, Beschleunigung, Privatisierung und Individualisierung von Weltanschauungen nur angedeutet werden können. Denn (religiöse) Erwachsenenbildung ist eine Signatur ihrer Zeit. Sie darf nicht nur individualistisch verstanden werden als organisiertes und strukturiertes Lernen von Individuen, sondern zugleich auch als Lernprozess von Erwachsenen, die in einen historischen und gesellschaftlichen Kontext eingebunden sind. Nach diesem Verständnis ist Erwachsenenbildung «sowohl Bildungsgeschehen als auch Bestandteil unseres Bildungssystems und damit Ausdruck eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses.»43 Sie ist eingebunden in eine konkrete kultur- und sozialgeschichtliche Situation und Konstellation, der sie Rechnung tragen muss. Diese gesamtgesellschaftlichen Veränderungen wiederum wirken zurück auf die Erwachsenenbildungslandschaft.

Die religiöse Erwachsenenbildung muss sich in einer pluralen, sich permanent verändernden Gesellschaft neu definieren und dabei ihr spezifisches Profil zwischen der Vermittlung der christlich-jüdischen Tradition, den religiös-spirituellen Bedürfnissen Sinn suchender Individualisten und den gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen finden. Welche Erkenntnisse aus der Theoriediskussion können Inspiration sein auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen religiösen Erwachsenenbildung? In einem Rückgriff auf drei exemplarische Theoriemodelle der religiösen Erwachsenenbildung soll ein theoriegeschichtlicher Zugang zu dieser Fragestellung unternommen werden, um anschliessend Perspektiven und|28| Herausforderungen für unsere Fragestellung und für die gegenwärtige Bildungspraxis zu skizzieren.

2. Annäherungen


Noch immer ist die wissenschaftliche Begleitung und Reflexion der Praxis der religiösen Erwachsenenbildung defizitär. So stellte Martina Blasberg-Kuhnke bereits im Jahr 1995 fast schon resigniert die Frage: «Wie ist das verhängnisvolle Theorie-Praxis-Problem der Erwachsenenbildung zu überwinden, das wissenschaftliche Theoretiker der Erwachsenenbildung und ihre Veranstalter aneinander vorbeiarbeiten lässt, mit der Konsequenz einer weithin theoriearmen Praxis und zahlreicher folgenloser Theorieentwürfe?»44 Leider fühlt sich – nach wie vor – keine wissenschaftliche Disziplin letztlich für dieses Handlungsfeld zuständig, weder die Praktische Theologie noch die profane Erwachsenenbildung/Weiterbildung, am ehesten noch die Religionspädagogik, die die Evangelische Erwachsenenbildung allerdings zumeist lediglich als Teilbereich der (in einem weiten Sinne verstandenen) Gemeindepädagogik thematisiert. Mit dem skizzierten Theoriedefizit korrespondiert eine defizitäre Forschungslage. Manche Dissertationen sind zweifellos kluge Werke, die inspirieren, in denen aber die konkrete Bildungspraxis nur schwache Spuren hinterlässt. Mit Rudolf Englert soll daher idealtypisch unterschieden werden zwischen:

  1. Funktionärstheorien, die vorwiegend der Legitimation der eigenen Praxis dienen und häufig die Erwartungen von Zuschussgebern im Blick haben
  2. Qualifikationstheorien, die vo