: Helmut Fischer
: Schöpfung und Urknall Klärendes für das Gespräch zwischen Glaube und Naturwissenschaft
: TVZ Theologischer Verlag Zürich
: 9783290176839
: 1
: CHF 9.90
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: Philosophie
: German
: 144
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Religiöse wie nicht religiöse Zeitgenossen setzen den biblischen Schöpfungsglauben mit einer Aussage über die Entstehung der Welt gleich. Die Naturwissenschaft hat eine Welt entworfen, die nicht geschaffen, sondern aus sich selbst geworden ist. An dem Reizwort Evolution hat sich zwischen religiösem und naturwissenschaftlichem Weltverständnis eine Front aufgebaut, an der verbissen gekämpft wird. Helmut Fischer erklärt, in welcher Hinsicht die biblischen Schöpfungsgeschichten und die Naturwissenschaften von Weltwirklichkeit sprechen, und zeigt die Schnittpunkte und Grenzen dieser Aussagen. Die nüchterne Information über das Selbstverständnis, das den jeweiligen Aussagen zugrunde liegt, erweist die Konfrontation als überholt und macht die Basis für einen offenen und fruchtbaren Dialog sichtbar. Ein theologisch fundierter, gut verständlicher Text für alle, die sich auf eine zuverlässige Übersicht stützen wollen.

Helmut Fischer, Dr. theol., Jahrgang 1929, war zuletzt Professor am Theologischen Seminar in Friedberg/Hessen und viele Jahre dessen Direktor; seit 1991 im Ruhestand, ist er heute in der Lehrerfortbildung, in der Erwachsenenbildung sowie als Autor und als Lehrer für Ikonenmalerei tätig. Bekannt ist Helmut Fischer auch durch seinen bei DuMont erschienenen 'Schnellkurs Christentum'.

|59| Welt in der Sicht der Naturwissenschaften


Naturverstehen vor der Zeit der Naturwissenschaften


Wir erklären uns Welt in Modellen


Seit es Menschen gibt, die über sich selbst und über ihr Sein in der Welt nachdenken, wird auch die Frage gestellt, wie es kommt, dass nicht nichts ist, sondern ein Gebilde wie unsere Welt existiert. In allen alten Religionen wird die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung unserer Welt in der Gestalt von Erzählungen (Schöpfungsmythen) gegeben. So unterschiedlich die Antworten sein mögen: gemeinsam ist ihnen, dass alle Modelle von Weltentstehung der Anschauung jener Lebenswelt entnommen sind, in der die Menschen sich bereits vorfinden. Menschliches Denken kann gar nicht anders, als sich das Unbekannte in Modellen des Bekannten vorzustellen.

Schöpfungsmythen sind Denkmodelle


Wir hatten gesehen: die Hochreligionen der Alten Welt sehen das Universum durch Götter hervorgebracht. In ihren Schöpfungsmythen kommt zum Ausdruck, wie Menschen ihre Welt und sich selbst in ihr verstanden. Diese Erzählungen geben Antwort auf die beiden elementaren menschlichen Fragen nach dem Sinn und dem Grund des Daseins. Im Handeln der Götter wird der Sinn und der Grund von Welt, von Völkern, von Geschichte und von Menschsein offenbar. Was im Mythos als vorzeitiges oder als urzeitliches Geschehen erzählt wird, das hat sinnstiftende und|60| bleibende Bedeutung für jede Gegenwart und wird in diesem Sinn als »wahr« erfahren.

Denkmodelle sind in Gesamtparadigmen eingebettet


Was ist ein Paradígma? Das Wort kommt aus dem Griechischen. Es bedeutet »Beispiel« und »Muster«. Auf eine ganze Kultur bezogen, versteht man unter einem Paradigma ganz allgemein das Grundmuster der leitenden Vorstellungen, nach denen in einer Kultur die Menschen ihre Welt und sich selbst verstehen und dieses Verständnis ausdrücken.

Im Bereich polytheistischer und polydämonischer Religionen sieht man die Welt und das menschliche Leben gewirkt und gelenkt durch das Handeln der Götter oder magischer Kräfte. Die Denkmodelle, in denen sich die Menschen ihre Welt und ihr Leben vergegenwärtigen, entsprechen dem Paradigma und sind insofern für alle Mitglieder dieser Kultur unmittelbar plausibel.

Das Paradigma des Mythos


Die Religionen der Alten Welt artikulieren sich alle im Paradigma des Mythos. Gott und Welt bilden hier eine Einheit, ohne aber miteinander identifiziert zu werden. In den Worten und Taten der Götter kommt das Verständnis von Welt und Mensch zur Sprache. Die Götter werden zwar anthropomorph (menschengestaltig) oder theriomorph (tiergestaltig) vorgestellt; sie werden aber nicht als eigenständige jenseitige Wesenheiten wahrgenommen, die der Welt gegenüberstehen, sondern als die Lebenswirklichkeiten verstanden, mit denen es der Mensch in seiner Welt zu tun hat.|61| Wir sagen aus der Außensicht: Die Götter stehen für bestimmte Lebensbereiche oder repräsentieren sie. Aus der Innensicht stehen sie eher für die Begegnung mit dem Göttlichen, in dem, was sich in der erfahrbaren Wirklichkeit ereignet und dem Menschen darin begegnet und widerfährt.

Israels Monotheismus sprengt das mythologische Paradigma


Israel bekennt sich zu dem einen und einzigen Gott. Die Gestirngötter werden zu Lampen degradiert (Gen 1). Die Götter und Götterbilder der Nachbarvölker werden zu Nichtsen erklärt. »Sieh, sie alle sind nichtig, nichts sind ihre Werke, Wind und Nichts ihre gegossenen Bilder« (Jes 41,29 – Zeit des babylonischen Exils). Indem der eine Gott als der Schöpfer verstanden wird, der seiner Schöpfung gegenübersteht, ist zwar der polytheistische Hintergrund überwunden, aber die mythologische Denkweise als Anschauungsform beibehalten.

Das Paradigma der griechischen Naturphilosophie


Der Wechsel zu einem nichtmythischen Pa