: Killen McNeill
: Der falsche Feldhase Frankenkrimi
: ars vivendi
: 9783747201893
: 1
: CHF 8.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 264
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der verschrobene Kunstmaler Ambrosius Siebenhaar befindet sich mit seiner Frau Thea auf einer wilden Jagd durch Franken: Die beiden müssen die Spuren von Ambrosius' Fälschungen einiger Werke der Alten Meister Dürer, Cranach und Grünewald verwischen. Die Sünden seiner künstlerischen Vergangenheit drohen nämlich seine erfolgversprechende Zukunft zu zerstören, denn Siebenhaar steht kurz vor dem großen Durchbruch - sogar der Economist fragt schon wegen der Gestaltung einer Titelseite an. Doch er wird erpresst, denn ein Kunsthistoriker ist ihm auf die Schliche gekommen. Notfalls muss er also seine eigenen Werke klauen. Der Raubzug führt das Ehepaar nach Nürnberg, in die Fränkische Schweiz, nach Kronach, Würzburg und Rothenburg. Dabei kommen nicht nur Siebenhaars kriminellen Verfehlungen zutage. Und die beiden sind nicht allein: Dicht auf ihren Fersen ist die albanische Mafia, und nicht nur sie ...

Killen McNeill ist 1953 in Nordirland geboren. 1973 kam er als Austauschstudent nach Erlangen, seit 1976 unterrichtet er Englisch an der Mittelschule in Scheinfeld. Mit seiner Frau macht er fränkisches Kabarett und spielt in der Band 'Nauswärts'. Seit fast zwanzig Jahren schreibt er, zunächst auf Englisch. Sein Roman 'Trains& Boats& Planes' wurde 2002 in Großbritannien und 2003 in deutscher Übersetzung mit dem Titel 'Damals in Irland' publiziert. Bei ars vivendi erschien 2013 sein Roman 'Am Schattenufer', übersetzt von Gottfried Röckelein. Die in deutscher Sprache verfasste Kurzgeschichte 'Pfarrers Kinder, Müllers Vieh' gewann 2012 den 1. Fränkischen Krimipreis. Bei ars vivendi veröffentlichte er bereits die beiden Romane 'Am Strom' und 'Am Schattenufer' und seinen Kriminalroman 'Hassberg'.

 

30. April 2019– Die Zeit ist reif

Die Zeit ist nie reif, deinem Ehemann, mit dem du seit über vierzig Jahren verheiratet bist, zu sagen, dass du ihn verlassen willst. Die Zeit ist überreif bis verfault, eine Birne, die seit Wochen im Sonnenlicht am Fenster liegt. Und sie kann nur noch fauliger werden.

Also besser spät als nie.

»Ambro?«, sagt Dorothea.

Ambrosius Siebenhaar, 69. Da sitzt er am Frühstücks­tisch und blättert die heutige Ausgabe derFränkischen Landeszeitung durch.Atemberaubende Dummheit steht auf der Titelseite, und, etwas kleiner darunter:ÖsterreichischerVizekanzler redet sich um Kopf und Kragen. Aber Ambrosius hat noch keinen Artikel zu Ende gelesen, er blättert rasch weiter. Er trägt ein graues, mit Ölfarben beflecktes Sweatshirt und schiebt die fein behaarten Unterarme nach vorne. Ihr Muskelspiel beim Umblättern wirkt auf Doro immer noch erotisierend. Sein Bauchgewölbe ist unter dem Tisch verborgen, das graue Knäuel seines Pferdeschwanzes auf der rechten Schulter ruht wie eine eingeschlafene Katze, die wachen grauen Augen sind ganz begierig auf die Zeitung gerichtet. Gut schaut er aus für sein Alter. Mit seiner Hakennase, den tief sitzenden Augen unter den buschigen Augenbrauen, dem Grübchen im Kinn, den vertikalen Falten in den Wangen. Wie ein alter, stolzer Raubvogel.

»Ambro?«

»Ja?«

»Hörst du mir zu?«

»Gleich, Doro, gleich.«

Der Tisch ist eine alte Hobelbank, die Ambrosius vor fünfunddreißig Jahren einem Bauern aus Kornhöfstadt abgeschwatzt hat. Seit fünfunddreißig Jahren sitzt Dorothea an der Seite mit dem nutzlosen Schraubstock und haut sich die Schienbeine an der Querplanke des Untergestells an. Das passiert Ambrosius nicht, weil er die Planke abgebaut hat. Auf seiner Seite halt.Auf einer Seite muss sie ja bleiben, Doro, wegen der Statik. Weil sonst die Bank zusammenfällt.

»Ah. Es steht drin«, sagt er zufrieden mit seiner kieseligen Stimme.

»Was?«

»Wolfram-von-Eschenbach-Preisträger 2019 Ambrosius Siebenhaar. Ha, horch zu:… ein Künstler auf vielen Gebieten; Malerei, Karikatur, Grafik und Bildhauerei. Endlich wird seine Kunst erkannt als das, was sie schon immer war: unverwechselbar, prägnant, verstörend in ihrer Intensität und zugleich letztendlich zutiefst tröstend. Seit Jahren verzichtet er auf Pinsel, arbeitet ausschließlich mit Händen und Fingern. Seine Bilder sind mehr wie Skulpturen, fast dreidimensional, deren Kraft und Aussage, wie das Leben selbst, sich erst aus der Ferne erahnen lässt. Na? Ist das nichts? Da blickt doch mal eine durch, oder?«

»Könnte fast von dir sein.«

»Das ist von mir! Also, mehr oder weniger. So gut wie. Das junge Ding hat ja alles mitgeschrieben.«

»Aha. So langsam fügt sich ja alles für dich.«

»Läuft ganz gut, ja, kann man sagen. Ehrenpreis der Stadt Burgbernbach. Titelmotive auf demSpiegel. Anfrage vomEconomist. Ausstellungen in München, Frankfurt und Berlin. In der engeren Auswahl für die Gestaltung des Jugendstilsaals im Hauptbahnhof Nürnberg. Nicht schlecht für einen disziplinlosen Farbsetzer. Tja. Meine Zeit ist eben reif.«

Disziplinloser Farbsetzer, aha. So hatte ihn seinerzeit der Kunstlehrer des örtlichen Gymnasiums in seiner Funktion als Kunstkritiker derFränkischen L