»Du, der Dr. Gerler hat die Anzeige nun schon zum dritten Mal in der Zeitung…!« Luise saß am großen Tisch in der Küche und blätterte in der Wochenendausgabe der regionalen Tageszeitung.
»Daß sich da niemand meldet«, erwiderte Heidi. »Der Dr. Gerler hat doch eine ausgezeichnete Landpraxis. Die Leut der ganzen Gegend gehen zu ihm.«
»Vielleicht ist’s ja grad’ das, was einem möglichen Nachfolger davon abhält, sich um seine Praxis zu bemühen.«
»Wie soll ich das denn verstehen?« Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an.
»Einmal zu viel Arbeit«, antwortete diese. »Und in der Stadt können die jungen Leut’ mehr verdienen. Sie teilen sich den Nacht- und Wochenenddienst öfter und sind nur alle Schaltjahr mal dran, sich ein Wochenend’ um die Patienten bemühen zu müssen.«
Heidi nickte. »Das ist allerdings wahr. Der Dr. Berger war immer für alle und auch zu jederzeit da.«
»So was wird’s wohl heut’ nimmer geben«, erwiderte Luise. »Auch wenn tatsächlich ein Nachfolger für die Praxis gefunden werden wird, so wird der bestimmt net so hilfsbereit sein wie unser alter Doktor.«
»So alt ist er doch noch gar net«, sagte Heidi.
Luise lachte. »Du bist gut. Meinst du, ein Landarzt müßt’ so alt sein wie seine ältesten Patienten?«
»Ja, Herrschaftseiten«, murmelte Heidi, »wie alt ist er denn, der Doktor?«
»Er hat doch einen Sohn, den Gernot«, antwortete Luise. »Wenn ich mich recht erinner’, dann ist der ein Jahr jünger als du.«
Heidi stutzte, dann nickte sie. »Das ist wahr, da hab’ ich gar net dran gedacht. Wenn der Gernot etwa so alt ist wie ich, dann mußt sein Vater…!«
»Ich kann dir ziemlich genau sagen wie alt er ist«, fiel Luise ihrer Schwiegertochter ins Wort, »nämlich fünf-, oder sechsundsiebzig. Und damit ist er in meiner Altersklasse. Ich kenn’ ihn gut, auch als er noch ein Bub war und später studiert hat, er war immer ein fescher Bursch.«
»Oje…!« Heidi atmete tief durch. »Und jetzt will er seine Praxis aufgeben und hat sein Leben hinter sich.«
»Also, jetzt ist’s aber gut«, protestierte Luise. »Ich bin, glaub’ ich, noch ein Jahr oder gar zwei älter als der Doktor, und ich muß hier die ganze Küche obhuten. Bei mir redet keiner von Ruhestand und mein Leben, liebe Schwiegertochter, ist noch lange net zu Ende, nur daß du dir da keine falschen Vorstellungen zueigen machst.«
Heidi lächelte, ging zu Luise, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
»Ich hab’ dir lange nicht mehr gesagt, daß du die beste aller Schwiegermütter bist«, sagte sie.
»Ich schließe mich an…!« Heidis Tochter Steffi war hinzugekommen. Sie strahlte Luise an. »Du bist auch die beste aller Großmütter.«
»Da schau her«, erwiderte Luise. »Seit wann das denn? Vor ein paar Tagen hast noch gesagt, daß…!«
»Das nehm’ ich mit dem Ausdruck größten Bedauerns zurück«, erwiderte Steffi.
»Was stimmt dich so fröhlich?« Heidi musterte ihre Tochter sehr aufmerksam. »Ist das Abitur abgeblasen worden und man hat sich entschlossen, dieses Jahr allen Bewerbern und Bewerberinnen das Reifezeugnis ohne Prüfungen zu geben?«
»Daß du immer so übel von mir denkst.« Steffi lachte. »Aber auch das bringt mich nicht mehr in Aufruhr.«
Jetzt machte sich ihre Mutter ernsthafte Sorgen. »Was ist los?« fragte sie und sah Steffi ernsthaft an.
»Das ist los«, erwiderte die und gab ihrer Mutter einen Brief und einige lose Blätter.
Heidi las und als sie eine Weile nichts sagte, fragte Luise: »Was ist denn nun?«
»Deine Enkelin hat einmal in einer Mathearbeit eine zwei, ihr Mathelehrer, der Bernd Huber lobt die Steffi ausdrücklich. Und das da ist die Zulassung zum Abi. Ja, Kind…!«
»Ihr dürftet ruhig ein bisserl mehr Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten haben«, erwiderte Steffi, die den Moment sehr genoß, das sah man ihr deutlich an.
Sie nahm ihrer Mutter die Papiere wieder ab und sagte: »Ich leg’ dir beides zur Unterschrift oben ins Wohnzimmer auf den Tisch.« Dann grinste sie. »Auch das hat bald ein Ende.«
»Was hat bald ein Ende?«
»Daß du für mich u